Auffällig: 31 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben Parteien gewählt, die nicht im Bundesrat vertreten sind. Ein Rekord in der Geschichte der Zauberformel. Viele stellen sich die Frage, ist die Schweiz reif für einen grünen Bundesrat? Oder muss sich die Grüne Partei zuerst im politischen Alltag beweisen, bevor sie in die Regierung einziehen kann? Hier geht es zur Online-Diskussion .
Klar ist nach den Wahlen 2019: Hinter der SVP als stärkste Kraft, rücken die SP, FDP, Grüne und CVP bei den Wähleranteilen näher zusammen. Die berühmte Zauberformel bildet die neue Konstellation nicht mehr ab.
Die Parteichefin der Grünen Regula Rytz formuliert im Hinblick auf die Bundesratswahl im Dezember vorsichtig fordernd:
Wir haben aufgrund unserer Grösse das Recht, im Bundesrat vertreten zu sein.
Deutlicher drücken sich die Grünen an der Basis aus. Auch Pia Hollenstein, die grüne Alt-Nationalrätin aus St. Gallen findet klare Worte: «Logisch ist die Zeit reif für einen grünen Bundesrat nach diesem Wahlresultat. Wir machen seit 35 Jahren gute Politik.»
WählerInnen sind gleicher Meinung
Auch Wählerinnen und Wähler können sich einen grünen Bundesrat vorstellen. Dies ist das Ergebnis einer Nachwahlbefragung von SRF. 60 Prozent der Wählenden sind der Ansicht, dass die Grünen oder die Grünliberalen einen Sitz im Bundesrat erhalten sollten.
Dezidiert anderer Meinung ist Vincenzo Pedrazzini. Der ehemalige Vize-Präsident der FDP Schweiz und Wahlkampfleiter sagt klar Nein zur Wahl eines grünen Bundesrats im Dezember: «Es braucht eine viel tiefer gehende Diskussion, ob das heutige System noch richtig ist. Die Parteienlandschaft hat sich generell geändert. Dieser Rechnung zu tragen, braucht Zeit.»
Auch SP und SVP mussten lange warten
Bei der Bundesratswahl am 11. Dezember treten alle sieben Bundesräte wieder an. Es gibt keine Rücktritte. Gegen eine Abwahl spricht die Tatsache, dass auch die SP oder die SVP lange auf eine angemessene Vertretung im Bundesrat warten mussten.
1959 – Geburt der Zauberformel
Im Dezember 1959 geschah Ungewöhnliches in der politisch stabilen Schweiz. Vier Sitze im Bundesrat mussten neu besetzt werden. Dies bot die Gelegengheit, die politischen Realitäten anzupassen.
Obwohl die Sozialdemokraten seit 1928 immer die wählerstärkste Partei waren, hatten sie bis 1959 nur zwei Mal die Möglichkeit einen Bundesrat zu stellen. Ende der 1950er Jahre waren sie gar nicht mehr im Bundesrat vertreten. Dies wurde 1959 korrigiert. Aus dieser Wahl resultierte die Zauberformel 2 – 2 – 2 – 1 – je zwei Sitze für die stärksten Parteien und einen für die viertgrösste.
Jahrzehntelang passte die Formel perfekt. 2 FDP, 2 CVP, 2 SP und einen Sitz für die SVP. Bis in den 1990er Jahren die SVP zur wählerstärksten Partei der Schweiz aufstieg.
2003 – Zauberformel wird geknackt
Geknackt wurde die Zauberformel im Jahre 2003 mit der Abwahl der CVP-Bundesrätin Ruth Metzler und der Wahl von Christoph Blocher. Seither hat die CVP noch einen Sitz. Erneut in die Krise geriet die Zauberformel 2007 mit der Abwahl Christoph Blochers. Erst 2015 wurde sie mit zwei SVP-Sitzen und der Wahl von Guy Parmelin wiederhergestellt.
Nun steht die Zauberformel erneut zur Debatte. Soll die Formel nach mathematischen Kriterien berechnet werden? Braucht es neun statt sieben Bundesräte? Oder eine dynamische Zauberformel, die ständig neu ausgehandelt wird? Für Gesprächsstoff bei den Parteien ist auf jeden Fall gesorgt.
Gäste im Forum:
- Pia Hollenstein, Alt-Nationalrätin Grüne St. Gallen von 1991 – 2006. Heute im Vorstand Verein «Klima Seniorinnen».
- Vincenzo Pedrazzini, ehemaliger Vizepräsident FDP Schweiz und Wahlkampfleiter 2011 und 2015. Heute Hotelier im Maggiatal.