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Eingebettete Journalisten Wenn Reporter mit der Armee in den Krieg ziehen

Vor 30 Jahren ging der Irak-Kuwait Krieg zu Ende. Geblieben sind die Bilder der Bombardierung von Bagdad. Live konnte man den amerikanischen Angriff von zu Hause aus mitverfolgen. Gefilmt von eingebetteten Reportern, die vom amerikanischen Militär eingeladen wurden.

Der US-Fernsehsender CNN filmte von einer Hotelterrasse den amerikanischen Raketenangriff auf die Stadt Bagdad. Man hatte vorher den Tipp aus Militärkreisen bekommen und stand mit den Kameras bereit. Der Fernsehsender gehörte zu den wenigen, die zum Krieg an der Front von der USA zugelassen wurden.

Den Zuschauern lieferte der Sender, als die Bombardierung los ging, live spektakuläre Bilder ins Wohnzimmer. Zuhause war man mitten drin.

Es fallen Bomben auf Bagdad. Man sieht helle Lichtstreifen in der dunklen Nacht.
Legende: Angriff auf Bagdad, 1991: Irak-Kuwait-Konflikt: In den frühen Morgenstunden des 18. Januars 1991 griff das amerikanische Militär Bagdad an. Einzelne TV-Stationen waren live dabei. Es war der Beginn des eingebetteten Journalismus. Keystone/ Dominique Mollard

Die Armee an die Front begleiten

2003 der nächste grosse Krieg der USA im Irak. Hunderte Reporter wollten nun mit in den Krieg ziehen und, beschützt von den Amerikanern, von der Front berichten. Das US-Militär erlaubte deshalb nicht nur einigen wenigen, sondern vielen Reportern, unter bestimmten Bedingungen, sie in den Nahen Osten zu begleiten.

Der Begriff eingebetteter Journalismus, auf Englisch «embedded journalism», war geboren.

Mit den Soldaten im Panzer

Jetzt waren bei der Invasion in den Irak Journalisten weit vorne mit dabei. Als eingebettete Reporter. Sie sassen mit den amerikanischen Soldaten im Panzer, sie filmten, während amerikanische Soldaten Häuser stürmten, sie standen mit an Strassensperren und durften Aktionen filmen. Dass sie die Bilder der Militärzensur unterbreiten mussten, nahm man zuhause am Bildschirm, wenn man es denn erfuhr, hin.

Die Bilder und die Berichterstattung zeigten einen geschönten und einseitigen Blick auf den Krieg.

SRF-Korrespondentin Karin Wenger über die Arbeit im Kriegsgebiet

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SRF-Korrespondentin Karin Wenger in Afghanistan, April 2011.
Legende: Bild: Karin Wenger/zVg

SRF-Korrespondentinnen und -Korrespondenten gehen täglich ein grosses persönliches Risiko ein, wenn sie aus Kriegs- und Krisengebieten berichten. Darum stehen sie manchmal unter Schutz des Militärs, sie sind «embedded» – also eingebettet – unterwegs. Was das für ihre Arbeit bedeutet, erzählt SRF-Südostasien-Radiokorrespondentin Karin Wenger im Interview mit «Link», dem Magazin der SRG Deutschschweiz.

Hier das Interview lesen.

Heute: Gräuelbilder per Smartphone

Zerstört heute eine Bombe ein ganzes Dorf in Syrien, sind binnen Stunden mehrere Videos im Umlauf, hochgeladen von Zivilisten oder Akteuren. Auf Twitter und anderen sozialen Kanälen. Wir als Medienkonsumentinnen und -konsumenten sind wiederum mitten drin.

Die Frage bleibt aber heute dieselbe wie damals vor 30 Jahren: Wie sind die Bilder einzuordnen? Sind die Bilder am Ort des Geschehens aufgenommen worden? Wer hat warum ein Interesse, die Bilder zu verbreiten?

Keine leichte Aufgabe für seriöse Medien damals wie heute, wie mit Bildern vom Kriegsgeschehen umzugehen ist.

Casper Selg: «Die Bilder zeigen nie die ganze Wahrheit»

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Casper Selg, Journalist
Legende: ZVG

SRF: Weshalb war und ist embedded journalism heikel?

Casper Selg: Weil in dieser Form der Zusammenarbeit von Militär mit Journalistinnen und Journalisten eine unabhängige, freie Berichterstattung gar nicht möglich und einseitige Information praktisch vorprogrammiert ist.

Soldaten boten den Journalisten auch Schutz, sonst hätten die eine private Sicherheitsfirma engagieren müssen, das hätte ja jedes Budget gesprengt?

Bei denjenigen, die beispielsweise in den beiden Golfkriegen als embedded journalists dabei waren, hätte das Geld keine Rolle gespielt. Die US-Fernsehsender zahlen in solchen Situationen mehr oder weniger jeden Preis, um an gute Stories, gute Bilder heranzukommen. Aber das Militär will in der Kriegssituation die Lage verständlicherweise selber im Griff behalten und nicht irgendwelche andere Organisationen wie Sicherheitsfirmen im Weg haben. Die spielten dann – etwa im Irak – erst nach dem eigentlichen Krieg eine grosse Rolle.

Wie haben Sie auf Berichte von eingebetteten Reportern als Journalist reagiert?

Immer mit sehr grosser Vorsicht, mit dem Bewusstsein, dass diese Bilder dort aufgenommen wurden, wo die militärische Führung Bilder aufgenommen haben wollte und dass das alles Bilder sind, die von der Militärzensur bewilligt sind. Alle Information, die der Kriegsführung schaden könnte, egal wie wahr, egal wie wichtig, wird auf diesem Weg sicher nie sichtbar. Das heisst: diese Bilder mögen zwar wohl wahr sein, aber sie zeigen sicher nie die ganze Wahrheit, die kann je nachdem sehr anders aussehen.

Radio SRF 1, «Morgengast», 26.2.2021, 7:20 Uhr

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