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Genetischer Mix Wie viel Migration steckt in Ihnen?

Gentests versprechen maximale Aufklärung über die eigene Herkunft. Doch das sei unmöglich, sagt Anthropologe Christoph Zollikofer. Es gebe immer blinde Flecken in der Herkunft.

Wir sind ein genetischer Mix

Die eigene Herkunft zu erkunden ist spannend. Ahnenforschung ist für viele Passion, nicht nur Hobby. Dabei stösst man auf einen Ur-Ur-Grossvater, der aus Preussen eingewandert ist, man erzählt sich von den Hugenottischen Vorfahren, die sich aus Frankreich in die Schweiz gerettet haben. Fakt ist: Wir sind alle ein Gemisch aus unseren Vorfahren.

Massenhaft Vorfahren

Wir haben zwei biologische Elternteile. Diese wiederum haben je zwei Eltern. Weitergerechnet sind wir in der 10. Generation bereits bei 1024 Vorfahren. Die Ururururururururgrosseltern lebten vor 250 bis 300 Jahren. Da bleibt meist im Dunkeln, was die Urahnen 1720 umtrieb. Ausser in Adelshäusern gibt es kaum Stammbäume, die so weit in die Vergangenheit reichen.

Der Gentest, der Resultate über die Herkunft verspricht

Vielleicht sind deshalb DNA Tests seit einigen Jahren im Trend. So bieten Firmen in den USA, Kanada oder Israel für rund 100 bis 200 Franken an, seine Herkunft mittels Gentest zu ergründen. Man schickt eine Speichelprobe in die USA und bekommt nach wenigen Wochen per Mail Bescheid, wo man sich verorten kann. Da steht dann zum Beispiel: 50 Prozent Schweiz, 24 Prozent Sizilien/Griechenland, 20 Prozent Schweden, 6 Prozent Vorderasien. Die Firmen verfügen über riesige Datenmengen und gleichen die DNA mit Tausenden von anderen Genommustern ab.

Stefan Siegenthaler: «Mein Ur-Ur-Ur-Grosi kam aus England.»

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Stefan Siegenthaler
Legende: SRF

Moderator Stefan Siegenthaler hat für SRF 1 den DNA Test gemacht. Er wusste aus Erzählungen seiner Eltern und aus Fotoalben, dass seine Vorfahren aus der Schweiz, ja sogar präziser, aus dem Kanton Bern stammen. Er wartete gespannt auf die Resultate aus den USA.

«Das Labor war sich zu 81 prozentiger Wahrscheinlichkeit sicher, dass ich aus dem Kanton Bern stamme. Volltreffer.», sagt Stefan Siegenthaler. Verblüfft war er, dass in seiner DNA Spuren aus Portugal, Spanien oder Italien auftauchten. Und dass die Ur-Ur-Ur-Grossmutter aus Grossbritannien kam, war der Familie Siegenthaler auch nicht bekannt.

Stefan Siegenthaler bleibt skeptisch gegenüber den Gentests. Nachprüfen könne man das Ganze ja nicht. Wer hat schon Dokumente seiner spanischen Urahnen, die anfangs 18. Jahrhundert gelebt haben dürften, in seiner Familienschatzkiste?

Wie zuverlässig sind solche Tests?

Christoph Zollikofer

Professor für Anthropologie

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Christoph Zollikofer ist Professor für Anthropologie an der Universität Zürich.

SRF: Wie zuverlässig sind solche nicht medizinische Tests, sogenannte Lifestyle Gentests?

Christoph Zollikofer: Es wird nur ein ganz kleiner Teil des Genoms verglichen bei diesen Analysen. In Zahlen ausgedrückt: 99 Prozent des Genoms werden nicht analysiert. Bloss 1 Prozent wird genauer untersucht.

Warum nicht mehr?

Man sucht ein paar Regionen im genetischen Text, die charakteristisch und zuordbar sind. Aber Regionen als charakteristisches Merkmal sind untauglich in der DNA.

Was heisst das?

Nehmen wir an, Sie haben einen sizilianischen Urahn. Hat er wirklich in Sizilien gelebt? Er könnte ja auch in der Türkei gelebt und mit einer Sizilianerin Kinder gezeugt haben, zusammen sind sie weiter nach Griechenland gezogen. Sizilien haben sie nie kennen gelernt.

Man gaukelt sich eine regionale Spezifität vor, die es so gar nicht gibt.
Autor: Christoph Zollikofer Professor für Anthropologie

Was ich damit sagen will: Man gaukelt sich eine regionale Spezifität vor, die es so gar nicht gibt. Jeder Mensch ist zu jedem Zeitpunkt eine unglaubliche Mischung von Menschen aus den verschiedensten Regionen dieser Welt.

Trotzdem: Das Lesen der Resultate bleibt interessant, man darf sie einfach nicht als bare Münze nehmen?

Natürlich. Ich auf jeden Fall hätte aber auch grosse Bedenken wegen der Datensicherheit. Man schickt Zellmaterial in die USA und weiss nicht, was die Firma mit den Resultaten letztlich macht. Sie versichert zwar, der Datenschutz sei gegeben. Aber wer kann schon garantieren, dass es kein Datenleck gibt oder Datenklau oder übergeordnetes Recht, das zum Tragen kommt. Zum Beispiel kann in den USA die Staatsanwaltschaft bei Verdacht auf eine kriminelle Handlung die Herausgabe von DNA Material erwirken.

Elena Bernasconi: «Es gab Überraschungen.»

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Elena Bernasconi
Legende: SRF/Marc Straumann

Dass der Grossvater von Elena als Kind mit den Eltern nach dem ersten Weltkrieg in die Schweiz einwanderte, das gehört zur Familiengeschichte der Familie Bernasconi. «Die Familie kam aus der Lombardei. Ich dachte aber, irgendwo wird es aber noch Spuren aus dem Tessin geben. Da war nichts.»

Zudem staunte Elena Bernasconi noch über etwas anderes. «Dass ich mehr französische als italienische Anteile in mir habe, war mir gar nicht so präsent.»

Trotzdem: Für sie ist der kommerzielle Gentest nicht sehr seriös und vorallem ein Geschäft. Sie erzählt: «Bei mir erschien in den Resultaten, die darauf hinwiesen, dass ich Wurzeln in Italien habe, sofort eine Werbung für ein Airbnb in Rom. Soviel zur Datensicherheit.»

Legal oder illegal in der Schweiz?

Gentests sind heute schnell und günstig gemacht. Ein Marktbereich ist entstanden, viele Anbieter tummeln sich im Feld. Nicht immer ist das seriös. Deshalb wurde das Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen ( GUMG ) überarbeitet. Die Verordnung, also die Präzisierung dazu, ist in der Vernehmlassung.

Voraussichtlich ab Mitte 2021 tritt das revidierte Gesetz in Kraft. Es regelt sehr detailliert, besonders bei medizinischen Gentests, wer diese wann veranlassen und durchführen darf.

Auch Herkunftsgentests werden genauer geregelt. Schweizer Firmen dürfen in Zukunft im Internet keine sogenannten Lifestyle-Gentests anbieten, die zum Beispiel Auskunft über die Abstammung versprechen. Wenig rechtliche Handhabe hat das Schweizer Gesetz gegenüber ausländischen Firmen. Wer seine Herkunft bei einer dieser Firmen bestimmen und auswerten lassen will, macht sich nicht strafbar. Wer heimlich Tests für andere machen lässt, hingegen schon.

Radio SRF 1, Morgengast, 26. August 2020, 7.15 Uhr

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