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Höhlenforscher Hans Moor Abenteuer im Hölloch: Faszination und Angst unter der Erde

Hans Moor kennt das Hölloch im Muotathal (SZ) wie kaum ein anderer. Im Sulzfluh-Höhlensystem (GR) entdeckte der 67-Jährige 80’000 Jahre alte Bärenknochen, im Hölloch den grössten Ammoniten – und bis heute führt er Besuchergruppen durch die Unterwelt.

45 Minuten lang steckt er fest. Kein Vor und kein Zurück. Kälte, Tropfwasser, Panik. «Das war der Moment, in dem ich am meisten Angst hatte», sagt Hans Moor über eine Expedition im Sulzfluh-Höhlensystem in Graubünden.

Seine eigentliche Heimat als Höhlenforscher ist jedoch das Hölloch im Muotathal, eines der grössten Höhlensysteme der Schweiz. Und er weiss, wie nah Abenteuer und Lebensgefahr beieinanderliegen.

Schwarz-Weiss-Foto eines jungen Mannes mit Helm in einer engen Felsöffnung
Legende: Schon als Jugendlicher zog es Hans Moor in die Seehöhle, einen Teil des Sulzfluh-Höhlensystems – hier in den frühen Jahren seiner Höhlenforschung. ZvG / Hans Moor

Mit 17 nimmt ihn sein älterer Bruder erstmals mit ins Hölloch. Elf Stunden lang kriecht er durch enge Schächte, nass, kalt, erschöpft. «Das hat mich gepackt», sagt Hans Moor. Seither zieht es ihn stets unter die Erde.

Der gelernte Baumschulist wächst im Zürcher Unterland auf. Sein Vater weckt früh die Liebe zur Natur: Pilze, Vögel, draussen sein. Doch Moor zieht es in Welten, die kaum jemand sieht. Nach der Lehre verbringt er ein Jahr in einer deutschen Baumschule: spannend, landschaftlich aber «zu flach». Er kehrt zurück – in die Berge, in die Höhlen.

Spektakulärer Fund in Graubünden

Im Sulzfluh-Höhlensystem im Kanton Graubünden stösst Moor mit Kollegen auf eine Sensation: Bärenknochen, die später auf rund 80’000 Jahre datiert werden. «Ein Schädel, Kiefer, Knochen – alles in einer Höhle mit engem Eingang», erzählt er. Fachleute bestätigen: ein seltener Fund in Europa. Im Hölloch fand er einen handgrossen Ammoniten im Schwemmschutt nach einem Hochwasser – ein seltener Lottosechser.

Zwei Jahrzehnte lang war Moor Biwak-Chef im Hölloch. Er richtete Schlafplätze ein, sogar ein Fondue-Stübli tief im Berg. «Unter Tropfsteinen Raclette essen – unvergesslich». 2005 zerstörte ein Unwetter sein Biwak. «Das tat weh – aber in der Höhle entscheidet die Natur.»

Gefangen im Fels

Wie gefährlich die Unterwelt sein kann, zeigt die Episode im Sulzfluh-Höhlensystem, mit der dieser Artikel beginnt. Bei einer Tour bleibt Moor in einem engen Gang stecken – 45 Minuten lang. Kein Vor und kein Zurück. «Das war der Moment, in dem ich am meisten Angst hatte.» Kälte, Tropfwasser, kein Vor und kein Zurück. Panik stieg auf, er dachte an Herzstillstand.

Zum Glück – sonst wäre es vielleicht nicht gut ausgegangen.
Autor: Hans Moor Baumschulist, Wanderführer und Höhlenforscher

Mit letzter Kraft gruben ihn seine Begleiter frei, schützten ihn mit Decke und Kerzen vor dem Auskühlen. «Zum Glück – sonst wäre es vielleicht nicht gut ausgegangen.» Heute, mit Abstand, sagt er: «Es hat sich gelohnt. Wir entdeckten wunderschöne neue Gänge.» Heute führt Moor Besuchergruppen ins Hölloch.

Einmal verlief er sich mit einer Gruppe leicht, «aber wir kamen eine Viertelstunde vor der Zeit wieder raus». Asiatische Touristinnen und Touristen reisen mit Rollkoffern an, Wanderer überschätzen sich regelmässig. Moor weiss, wie viel Verantwortung an ihm hängt. «Willkommen im Tal und im Loch», sagt er zum Start jeder Tour – und trägt Sorge, dass alle wieder hinausfinden.

Die gerettete Fledermaus

Nicht nur Menschen verdanken ihm ihr Leben. Bei einem Hochwasser entdeckte Moor eine Fledermaus, die fast von den Fluten erfasst worden wäre. Er nahm sie auf die Hand und setzte sie an einem sicheren Ort aus. «Sie flog ein paar Runden um mich, dann war sie weg.»

eine Fledermaus
Legende: Hans Moor rettete im Hölloch eine Fledermaus vor dem Hochwasser und brachte sie in Sicherheit – ein Erlebnis, das ihm bis heute in Erinnerung geblieben ist. ZvG / Hans Moor

Hans Moor kennt die Dunkelheit, die Enge, die Schönheit der Unterwelt. Seine Geschichten zeigen, wie nah Abenteuer und Gefahr beieinanderliegen. «Die Höhle gibt dir unvergessliche Momente», sagt er. «Aber sie fordert immer Respekt.» Und genau dieser Respekt hält ihn bis heute im Bann der Tiefe.

Radio SRF 1, 14.9.2025, 10:00 Uhr

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