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Hotellerie am WEF «Besonders gefährdete Politiker haben ihre Vorkoster dabei»

Während sich die einflussreichsten Menschen am WEF über die Weltlage austauschen, herrscht in den Hotels in und um Davos reges Treiben. Ernst «Aschi» Wyrsch, Präsident HotellerieSuisse Graubünden, war 15 Jahre Direktor des Davoser Hotels Belvédère und weiss, welche Vorkehrungen nötig sind, um hohe Gäste zu beherbergen.

Ernst Wyrsch

Präsident HotellerieSuisse Graubünden

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Wyrsch ist seit 2013 Präsident der Bündner Unternehmerorganisation der Hotellerie. Daneben ist er Dozent an der St. Galler Business School. Von 1996 bis 2011 war er Direktor des Grandhotels Steigenberger Belvédère in Davos.

SRF: Wie muss man sich den Hotelbetrieb während dem WEF vorstellen?

Ernst Wyrsch: Da ist eine Art Champions League-Leistung gefragt. Dabei sind Hotelier und Personal voller Adrenalin und locker fünfzehn Stunden am Tag im Einsatz. Es ist eine Freude, so was durchzuführen, aber die Belastung ist gross. Man bereitet sich mehrere Monate aufs WEF vor. Letztlich ist Flexibilität gefordert, das ist die Herausforderung. Man darf sich nie aufregen, wenn etwas nicht so läuft, wie abgemacht. Von der Ankunft über die Gästeanzahl bis zu den Events: Am WEF läuft kaum etwas nach Plan. Die wahre Leistung ist es, auf neue Begebenheiten reagieren zu können.

Wie bereitet man das Personal auf den Einsatz vor?

Mit speziellen Schulungen, in denen man zum Beispiel mögliche Stresssituationen thematisiert. Bei gewissen Veranstaltungen und Gästen sind zusätzlich Dutzende Sicherheitsleute in den Hotels – damit muss man klarkommen. Die Nervosität war wohl noch nie so gross wie dieses Jahr.

Polizisten auf dem Dach des Hotels Belvédère während des Weltwirtschaftsforums WEF 2001 in Davos.
Legende: Sicherheit über alles: Polizisten auf dem Dach des Hotels Belvédère während des Weltwirtschaftsforums 2001 in Davos. Keystone/HERBERT KNOSOWSKI

Das hat mit der aktuellen weltpolitischen Situation und dem hohen Gefährdungsgrad einzelner Teilnehmenden wie Wolodimir Selenski zu tun. Solche Leute komplett abzuschotten, ist kaum möglich. Davos ist kleinflächig, man trifft sich, es ist eng.

Wie werden die Hotels gesichert?

Das Personal wird im Vorfeld polizeilich auf Auffälligkeiten im Lebenslauf untersucht. Je nach Hotel und Gästen kommt man nur mit einem Badge ins Haus. Ausserdem gibt’s Personendurchsuchungen wie am Flughafen. Um gewisse Räume betreten zu dürfen, ist eine Bewilligung nötig. Die Räume wiederum werden im Vorfeld mit Polizeihunden nach Wanzen oder Kameras abgesucht und im Anschluss versiegelt, bis der Gast da ist. Dessen Sicherheitsleute prüfen dann nochmals, ob alles in Ordnung ist.

Das klingt aufwendig …

Für Aussenstehende mag das umständlich klingen, gar skurril. Aber das ist vor allem bei besonders gefährdeten Gästen der normale Standard. Im Übrigen rücken jeweils bereits Wochen vor dem WEF Sicherheitsleute der Delegationen an, um vorab alles zu prüfen. Das ist teilweise ein Riesenprozess, der abläuft, noch bevor die Gäste eintreffen.

Besonders gefährdete Politiker haben ihre Vorkoster dabei.

Welche weiteren Sicherheitsvorkehrungen sind nötig?

Bei besonders gefährdeten Menschen wird die Küche überwacht. Es gibt sogenannte Vorkoster, die das Essen degustieren, bevor es zum Gast kommt. Von diesem Moment an werden die Lebensmittel nicht mehr aus den Augen gelassen, um Vergiftungen auszuschliessen. Die Mahlzeiten gelten als klassische Schwachstellen im Sicherheitsdispositiv. Es gibt aber auch Delegationen, die eigene Köche mitnehmen und alles selbst zubereiten.

Während Ihrer Zeit als Hoteldirektor sind Sie mit vielen Persönlichkeiten in Kontakt gekommen. Welches waren Ihre Höhepunkte?

Unvergesslich bleiben die Begegnung mit Muhammad Ali oder mit Nelson Mandela. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton war sehr zugänglich. Mit ihm habe ich mitten in der Nacht bei einem Glas Wein gute Gespräche geführt. Clinton war es denn auch, der mit dem damaligen britischen Premier Tony Blair und dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder einen Männerabend abgehalten hat – mit Bier und Gitarre. Sie haben entspannt geplaudert und Volkslieder gesungen.

Das Gespräch führte Luk von Bergen.

Radio SRF 1, Aktuell, 16.01.2024, 16:10 Uhr ; 

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