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Ikone Ochsnerkübel Der Abfallkübel, der sich ins kollektive Gedächtnis schepperte

Der Metallkübel der Firma Ochsner revolutionierte ab 1908 die Abfallentsorgung – heute ist er ein Stück Kulturgut und Symbol der sauberen Schweiz.

Jahrzehntelang gehört der Ochsnerkübel zum Strassenbild und sein Scheppern bei der Abfallentsorgung zu den Alltagsgeräuschen. 1908 hält der Ochsnerkübel Einzug in Zürichs Strassen, 1926 wird er dort zur Pflicht. In den Jahren darauf etabliert er sich nach und nach in allen anderen Schweizer Städten.

Vor rund 50 Jahren wurde er sukzessive durch den Abfallsack aus Plastik und durch grosse Container abgelöst und verschwand aus dem Strassenbild.

Die Hygiene vor dem Ochsnerkübel

Noch bis ins 19. Jahrhundert hielten Typhus und Cholera Einzug in Schweizer Städte. Eine der Ursachen waren die offenen Ehgräben zwischen den Häusern, in die Gemüsereste und Fäkalien gekippt wurden. Aus diesem Grunde wurden sie verboten. Schmutzwasser floss fortan in geschlossenen Kanalisation. Festes, also Fäkalien und Abfälle, wurden in offenen Eimern gesammelt und auf Pferdewagen geleert, die den Dreck abführten. Jeder Haushalt hatte nun seinen eigenen Schmutzkübel.

Aber immer noch waberte ein permanenter Gestank durch die Gassen. Man befürchtete ein erneutes Ausbrechen von Seuchen. Da besann sich Jakob Ochsner aus Oberhallau (SH) auf Methoden, die er in den USA erlebt hatte. Sieben Jahre lang hatte er als Wagner in Chicago gelebt und gearbeitet und gesehen, wie effizient eine Grossstadt mit ihrem Abfall umging.

Schwarzweissfoto eines Mannes im Anzug mit Krawatte.
Legende: Inspiration aus Übersee: Jakob Ochsner (1858 bis 1926) erlebte in Chicago, wie sich unvorstellbare Abfallmengen auf den Strassen türmten und wie effizient der Abfall dort entsorgt wurde. Keystone / Klose

Seine grosse Leistung war es, das bestehende Abfallentsorgungssystem in einen geschlossenen, also hygienischen Kreislauf zu bringen: Der Abfall des Haushalts wurde in den Ochsnerkübel geleert, einen geschlossenen Metallbehälter mit Deckel. Die Müllabfuhr hängte den Deckel des Ochsnerkübels an den Kübelwagen, schob den Kübel hoch und der Abfall fiel in den geschlossenen Container des Wagens.

Eine persönliche Erinnerung an den Ochsnerkübel

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Gerne versuche ich zu schildern, wie Grossmama und ich den Ochsnerchöbel mit Zeitungspapier auslegten: die Zeitung vom Vortag also, in einzelne Seiten zerlegt, meist hat der Lokalteil ausgereicht, er war ja damals dicker als heute. Seite um Seite fächerartig überlappend, den Boden bedeckend und am oberen Rand sorgfältig omeglitzt, schliesslich mit dem gesenkten Deckel fixiert. So füllte sich der Chöbel schön und ordentlich. Meist blieben nach dem Leeren feuchte Fetzen darin hängen und bildeten gleich wieder den ersten Abfall.

Leserkommentar vom 22.4.2024 zu einem Blogartikel über den Ochsnerkübel des Schweizerischen Nationalmuseums.

Selbstbewusst lässt er auf dem Deckel das Schweizerkreuz anbringen. Später werden sogar Kantonswappen eingestanzt. 1930, vier Jahre nach Jakob Ochsners Tod, wird der Ochsnerkübel von der Jacques Ochsner & Cie. AG patentiert. Aus dem «System Ochsner» wird das «Patent Ochsner».

Abfallentsorgung im dritten Jahrtausend

Abfall der Privathaushalte wird heute in Plastiksäcken gesammelt. Prognosen der Abfallwirtschaft gehen davon aus, dass sich die Abfallmenge bis 2035 verringern wird.

So funktioniert Abfallentsorgung heute

Die Gründe dafür sind unter anderem: zunehmende Separatsammlung von Bioabfall und Kunststoff, bessere Sortierung von Bauabfällen, Bestrebungen zur Vermeidung von Foodwaste, Förderung der Kreislaufwirtschaft und Urban Mining – also technisch aufwändige Rückgewinnungsprozesse wertvoller Elemente wie Kupfer, Aluminium und Gold aus der Schlacke von Kehrichtverbrennungsanlagen.

Zur regulären Abfallentsorgung kommt das weitverbreitete Littering hinzu, das heute wegen durchschnittlich grösserem Wohlstand und grösserer Mobilität zugenommen hat. Dieser Abfall muss in Handarbeit beseitigt werden.

Was ist Littering?

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«Littering» (deutsch: «Vermüllung») bezeichnet das achtlose Wegwerfen und Liegenlassen von Verpackungen, Getränkeflaschen, Zigarettenkippen, etc. im öffentlichen Raum, also auf Strassen und Plätzen, in Parks und in der offenen Landschaft. Der in der Schweiz mit Abstand am häufigsten in die Natur oder auf den Boden geworfene Gegenstand ist der Zigarettenstummel.

In Ergänzung zu Sensibilisierungskampagnen und Informationsarbeit haben Littering-Bussen eine abschreckende Wirkung. Die Mehrheit der Kantone und Städte haben bereits Littering-Bussen eingeführt. Das Parlament hat im März 2024 beschlossen, auf Bundesebene eine schweizweit harmonisierte Busse einzuführen. Diese wird voraussichtlich ab Mitte 2026 in Kraft treten und die bestehenden Bussen ablösen.

Quelle: Bundesamt für Umwelt & Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz

Und was bleibt heute vom Kübel?

Der metallene Ochsnerkübel ist heute eine Erinnerung an die Zeiten vor dem Abfallplastiksack. Auf Verkaufsplattformen wird er zu einem Preis von bis zu 250 Franken gehandelt.

Die Band «Patent Ochsner» trägt dazu bei, dass der Name im Gedächtnis der Bevölkerung verankert bleibt.

«Patent Ochsner»

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Die neun Mitglieder der Band posieren in einer Reihe.
Legende: Die Mitglieder der Berner Mundartrockband Patent Ochsner. In der Mitte: Sänger und Bandleader Büne Huber. Michael Schär

Bereits in der Vorläuferband des Sängers Büne Huber «Poubelle Publique» ist der Kübel im Namen drin. Den Anstoss zum Bandnamen «Patent Ochsner» gab Bünes Vater, wie Büne einmal erzählte. Sein Vater habe alles Misslungene und Wertlose als «Patent Ochsner» bezeichnet, als «für den Abfallkübel» – und eben auch Bünes erste musikalischen Entwürfe.

Radio SRF 1, Treffpunkt, 14.8.2025, 10:03 Uhr ; 

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