Seit der Mobilmachung fliehen Hunderttausende aus Russland. In den sozialen Medien zeigen Videos russische Männer, die vor der Einberufung fliehen, sei es nach Georgien, Kasachstan oder in die Mongolei. Aber die Fluchtwege werden weniger.
Die baltischen Staaten sowie Polen, die Tschechische Republik und die Slowakei haben die Einreise für Menschen aus Russland stark eingeschränkt. Auch Finnland hat die Einreiseregeln verschärft und die Grenze für russische Touristen geschlossen.
Umstrittenes Einreiseverbot in der EU
In der EU ist das Visumsverbot ein heisses Eisen. Deutschland lehnt ein solches mit der Begründung ab, beim Ukrainekrieg handle es sich nicht um einen Krieg des russischen Volkes, sondern um «Putins Krieg». Und die Schweiz? Aus den Reihen der Grünen und der SP liegt die Forderung auf dem Tisch, dass russische Kriegsdienstverweigerer einfacher Asyl in der Schweiz erhalten sollen.
Unbürokratische Hilfe
Für SP-Nationalrätin Céline Widmer (SP) ist klar, die Schweiz müsse die russische Anti-Kriegsbewegung unterstützen und russischen Deserteuren Asyl bieten. Und zwar «schnell und unbürokratisch». Gefährdeten Personen solle die Schweiz rasch ein humanitäres Visum ausstellen. Der Bundesrat sieht keinen Anlass, das Botschaftsasyl wieder einzuführen. Möglich sei es, ein Visum aus humanitären Gründen zu beantragen.
Die SVP lehnt eine Erleichterung ab. Die Zürcher SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann befürchtet eine Sogwirkung. In der Schweiz leben über 60'000 Ukrainerinnen. «Wenn wir nun Zehntausende von der Gegenseite ins Land lassen würden, könnte das zu Konflikten führen, die wir als Gesellschaft nicht verkraften würden.»
Schwierige Prognosen
Wie das Staatssekretariat für Migration SEM auf Anfrage schreibt, seien derzeit Prognosen wie sich die Situation entwickelt «sehr schwierig». Das SEM erachtet die Wahrscheinlichkeit eines leichten bis moderaten Anstiegs der Asylgesuche russischer Staatsbürger in den Schengen-Staaten, inklusive der Schweiz, als das zurzeit «wahrscheinlichste Szenario». Eine Zunahme russischer Asylgesuche seit der Mobilmachung stellt das SEM nicht fest. Bis Ende September seien es 143 gewesen. Das entspreche rund 1 % aller Asylgesuche in diesem Jahr.