Der Weg, den Anja Blacha eingeschlagen hat, war nicht vorgezeichnet. Aufgewachsen im Flachland von Bielefeld (D) waren ihr Berge fremd: «Ich kannte nur Strandurlaub: Sommer, Sonne, Hotelpool, Meer.»
Mit 23 schnürte sie erstmals Wanderschuhe – auf einem Backpacking Urlaub mit ihrer Schwester in Peru. Die mehrtägige Tour zum Machu Picchu, hat Anja Blacha nachhaltig beeindruckt.
Nach ihrer ersten Wanderung auf dem Salkantay Trek war für sie klar, wie ihre Ferien künftig aussehen. Es war der Startpunkt für weitere Abenteuer. Beeindruckt von der Landschaft, stellte sie auch fest – Bewegung und Draussensein taten ihrem Kopf und Körper gut.
«Mit jedem Urlaub wurden die Ziele grösser und die Wege weiter», sagt Blacha. Nach der Tour zum Machu Picchu nahm sie den höchsten Berg Südamerikas in Angriff: den Aconcagua, mit 6900 Meter.
Der Reiz der dünnen Luft
In der Folge bestieg Anja Blacha zwölf von 14 Achttausender. Aus dem Ferienhobby wurde ihr Beruf. «Ich durfte die Expeditionen zu meinem Lebensinhalt machen», sagt sie – und nennt sie bis heute «Urlaub».
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Bild 1 von 7. Der Hidden Peak (8080 Meter), auch Gasherbrum I genannt, ist einer von 12 Achttausender, die Anja Blacha bestiegen hat. Bildquelle: zVg Anja Blacha.
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Bild 2 von 7. Aufstieg am Gasherbrum I im sogenannten Japanese Couloir im Juli 2023. Bildquelle: zVG Anja Blacha.
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Bild 3 von 7. Anja Blacha beim Abstieg entlang der sogenannten Banana Ridge am Gasherbrum II im Juli 2023. Bildquelle: zVg / Anja Blacha.
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Bild 4 von 7. Blick auf den Mount Everest vom Basislager auf der tibetischen Nordseite aus im April 2017. Bildquelle: zVg / Anja Blacha.
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Bild 5 von 7. Auf dem Gipfel des K2 zusammen mit Temba Bhote im Juli 2019. Der K2 ist mit 8611 Metern der höchste Berg im Karakorum und nach dem Mount Everest der zweithöchste Berg der Erde. Der K2 gilt unter Bergsteigern als weit anspruchsvoller als der Mount Everest, wenn nicht sogar als der schwierigste aller vierzehn Achttausender. Bildquelle: zVg / Anja Blacha.
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Bild 6 von 7. Nachtlager am Nanga Parbat (8125 Meter). Bei solch hohen Bergen gibt es eine sogenannte Todeszone. In dieser darf man sich nicht länger wie 48 Stunden aufhalten, weil es zu wenig Sauerstoff gibt. Bildquelle: Sternstunde Philosophie vom 16.2.2025.
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Bild 7 von 7. So sieht es aus, wenn Anja Blacha einen Achttausender besteigt. Hier ist sie am Nanga Parbat (8125 Meter) unterwegs. Bildquelle: Sternstunde Philosophie vom 16.2.2025.
Vor zwei Wochen kehrte Anja Blacha vom Mount Everest zurück. Auch den höchsten Gipfel der Welt bestieg sie ohne Sauerstoff. Alles andere wäre vergleichbar mit einer «Tour de France» auf dem E-Bike. Deshalb besteigt sie hohe Berge ohne Unterstützung.
Man müsse den Körper an die Höhe und die dünne Luft gewöhnen, sagt Anja Blacha. «Das A und O ist die Akklimatisierung.» Nach dem Aufstieg ins 5300 Meter hohe Basislager folgen Ruhetage. Dann beginne man die erste Rotation zum ersten Höhenlager und steige dann wieder ab, um zu regenerieren. Der Körper brauche Zeit, die schwierigeren Bedingungen zu verarbeiten.
Zwischen Leben und Tod
Körperlich gehe sie nicht an ihre Grenzen, versichert Anja Blacha und meint: «Um über meine Grenzen gehen zu können, muss ich unterhalb meiner Leistungsgrenze bleiben, denn es kann immer etwas Unerwartetes passieren.»
Sei es ein Wetterumschwung, eine Verletzung oder dass man sein Lager nicht dort einrichten kann, wo man es geplant hat. Sie müsse immer reaktionsfähig bleiben. «Dafür brauche ich immer einen Puffer».
Eine schmerzliche Erfahrung machte Anja Blacha 2023 am Nanga Parbat (8125 Meter). Zu viert seien sie auf dem Gipfel gestanden, als einer aus der Gruppe sagte: «Komm, lass uns absteigen.» Der eine Bergsteiger ging voraus, und als sich Anja Blacha später umsah, stellte sie fest, dass es einem Absteiger hinter ihr nicht gut ging.
Der Mann sei völlig lethargisch gewesen – er konnte nicht einmal mehr die ihm gereichte Wasserflasche öffnen. «Für mich war klar, der schafft den Abstieg nicht mehr allein.» Der Versuch, Hilfe zu organisieren, scheiterte. Um ihr eigenes Leben zu retten, musste Anja Blacha ihn zurücklassen. Sie erreichte das nächste Lager. Er nicht – wie sie am Morgen erfuhr.
«Prävention ist das Einzige, was wirklich hilft», sagt Anja Blacha. Genug Puffer einplanen, das heisst genug Reserven haben und sicherstellen, dass man in Kontakt ist, auch mit anderen Menschen, die einem helfen können, wenn etwas passiert. Schlussendlich aber trage jeder eine Eigenverantwortung über die Risiken, die er eingeht.