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Leben als Extremsportlerin Ohne Sauerstoff auf den Everest: Anja Blacha testet Grenzen

Sie hat die höchsten Berge der Welt bestiegen und war zwei Monate allein in der Antarktis unterwegs – bei minus 40 Grad. Annäherung an einen Adrenalinjunkie.

Der Weg, den Anja Blacha eingeschlagen hat, war nicht vorgezeichnet. Aufgewachsen im Flachland von Bielefeld (D) waren ihr Berge fremd: «Ich kannte nur Strandurlaub: Sommer, Sonne, Hotelpool, Meer.»

Mit 23 schnürte sie erstmals Wanderschuhe – auf einem Backpacking Urlaub mit ihrer Schwester in Peru. Die mehrtägige Tour zum Machu Picchu, hat Anja Blacha nachhaltig beeindruckt.

Blick auf den Machu Picchu in Peru.
Legende: Die Wanderung auf dem Salkantay Trek war die Initialzündung für weitere Abenteuer. Keystone/ Paula Bayarte

Nach ihrer ersten Wanderung auf dem Salkantay Trek war für sie klar, wie ihre Ferien künftig aussehen. Es war der Startpunkt für weitere Abenteuer. Beeindruckt von der Landschaft, stellte sie auch fest – Bewegung und Draussensein taten ihrem Kopf und Körper gut.

«Mit jedem Urlaub wurden die Ziele grösser und die Wege weiter», sagt Blacha. Nach der Tour zum Machu Picchu nahm sie den höchsten Berg Südamerikas in Angriff: den Aconcagua, mit 6900 Meter.

Blick auf das Bergmassiv vom Aconcagua, dem höchsten Berg in Südamerika.
Legende: Auf dem Aconcagua, dem höchsten Berg Südamerikas, bekam Anja Blacha von ihrem Bergführer Tipps für weitere Gipfelabenteuer. Keystone/Jordan Clay

Der Reiz der dünnen Luft

In der Folge bestieg Anja Blacha zwölf von 14 Achttausender. Aus dem Ferienhobby wurde ihr Beruf. «Ich durfte die Expeditionen zu meinem Lebensinhalt machen», sagt sie – und nennt sie bis heute «Urlaub».

Vor zwei Wochen kehrte Anja Blacha vom Mount Everest zurück. Auch den höchsten Gipfel der Welt bestieg sie ohne Sauerstoff. Alles andere wäre vergleichbar mit einer «Tour de France» auf dem E-Bike. Deshalb besteigt sie hohe Berge ohne Unterstützung.

Man müsse den Körper an die Höhe und die dünne Luft gewöhnen, sagt Anja Blacha. «Das A und O ist die Akklimatisierung.» Nach dem Aufstieg ins 5300 Meter hohe Basislager folgen Ruhetage. Dann beginne man die erste Rotation zum ersten Höhenlager und steige dann wieder ab, um zu regenerieren. Der Körper brauche Zeit, die schwierigeren Bedingungen zu verarbeiten.

Zwischen Leben und Tod

Körperlich gehe sie nicht an ihre Grenzen, versichert Anja Blacha und meint: «Um über meine Grenzen gehen zu können, muss ich unterhalb meiner Leistungsgrenze bleiben, denn es kann immer etwas Unerwartetes passieren.»

Allein durch die Antarktis

Box aufklappen Box zuklappen
Frau läuft mit Skiern und Schlitten durch eine Schneelandschaft und zieht einen Schlitten hinter sich her.
Legende: Expedition Antarktis zVg Anja Blacha

Anja Blacha sagt von sich: «Ich kann mich nicht motivieren, wenn es darum geht, im Kreis zu laufen. Einfach nur zu gehen, wandern oder bergsteigen. Ich brauche ein Ziel, das mir hilft, in mir Kräfte zu mobilisieren, von denen ich vorher gar nicht wusste, dass es sie gibt.»

Anja Blacha hat nicht nur die höchsten Berge der Welt bestiegen. Sie war weltweit als erste Frau zwei Monate lang allein in der Antarktis unterwegs. Ohne Unterstützung und mit einem Schlitten im Schlepptau lief sie vom Nord- bis zum Südpol.

Sie hat bei Schneestürmen und minus 40 Grad übernachtet. Bereits am vierten Tag schlug das Wetter um und alles versank im sogenannten «White out». Dann sei nicht mehr zu erkennen, wo der Boden und wo der Himmel ist. In solchen Momenten habe sie sich auch schon gefragt: «Warum tue ich das?»

Sei es ein Wetterumschwung, eine Verletzung oder dass man sein Lager nicht dort einrichten kann, wo man es geplant hat. Sie müsse immer reaktionsfähig bleiben. «Dafür brauche ich immer einen Puffer».

Eine schmerzliche Erfahrung machte Anja Blacha 2023 am Nanga Parbat (8125 Meter). Zu viert seien sie auf dem Gipfel gestanden, als einer aus der Gruppe sagte: «Komm, lass uns absteigen.» Der eine Bergsteiger ging voraus, und als sich Anja Blacha später umsah, stellte sie fest, dass es einem Absteiger hinter ihr nicht gut ging.

Blick auf das Nanga Parbat-Gebirge.
Legende: Am Nanga Parbat musste Anja Blacha beim Abstieg einen höhenkranken Bergsteiger zurücklassen, um ihr eigenes Leben zu retten. Keystone/Oliver Matthys

Der Mann sei völlig lethargisch gewesen – er konnte nicht einmal mehr die ihm gereichte Wasserflasche öffnen. «Für mich war klar, der schafft den Abstieg nicht mehr allein.» Der Versuch, Hilfe zu organisieren, scheiterte. Um ihr eigenes Leben zu retten, musste Anja Blacha ihn zurücklassen. Sie erreichte das nächste Lager. Er nicht – wie sie am Morgen erfuhr.

«Prävention ist das Einzige, was wirklich hilft», sagt Anja Blacha. Genug Puffer einplanen, das heisst genug Reserven haben und sicherstellen, dass man in Kontakt ist, auch mit anderen Menschen, die einem helfen können, wenn etwas passiert. Schlussendlich aber trage jeder eine Eigenverantwortung über die Risiken, die er eingeht.

Radio SRF 1, 15.6.2025, 10:00 Uhr

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