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Leben nach einem Unfall «Heute geht es mir gut, aber ein Stück Traurigkeit bleibt»

537 Fussgängerinnen und Fussgänger wurden im Jahr 2018 in der Schweiz bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Eine davon war Nora Zukker. Die Zürcherin wurde von einem Bus überfahren. Mit viel Willen und Mut hat sie sich ins Leben zurückgekämpft.

Am Sonntag, 17. Juni 2018, abends gegen 22.30 Uhr, befand sich die Zürcher Autorin und Journalistin Nora Zukker auf dem Heimweg. Beim Bahnhof Altstetten in Zürich trat sie abseits von Fussgängerstreifen auf eine Strasse, die sie zuvor schon unzählige Male überquert hatte. Nie war etwas passiert.

Unter dem Vorderrad eingeklemmt

In diesem Moment jedoch kam ein Bus um die Kurve gefahren. «Ich befand mich im toten Winkel», sagt Nora Zukker rückblickend. Die 33-jährige Frau wurde vom Bus erfasst und unter dem rechten Vorderrad eingeklemmt, als das Fahrzeug bei der Notbremsung auf ihren Beinen zum Stehen kam. Mit schweren Bein- und Fussverletzungen wurde sie ins Spital gebracht.

Nora Zukker sitzt Barfuss in einem Gewächshaus.
Legende: Heute kann Nora Zukker wieder gehen und selbständig leben. Der Weg dahin war aber lang und schmerzvoll. Ella Mettler

Nora Zukker wurde sofort notfallmedizinisch versorgt und noch am selben Abend ein erstes Mal operiert. «Solche Verletzungen an beiden Beinen sind aussergewöhnlich», sagen Ünal Can und Patricia Fodor, Ärzte in leitenden Positionen am Zürcher Triemlispital. Die genaueren Untersuchungen zeigten: Sie hatte schwere Weichteilverletzungen sowie Brüche an beiden Beinen und Füssen erlitten.

Rekonstruktion mit einem Rückenmuskel

Nach einigen Tagen wurde sie ins Universitätsspital Zürich verlegt, wo die fehlenden Weichteile mit dem grössten Rückenmuskel und Haut von den Oberschenkeln rekonstruiert wurden. Der grosse Zeh am rechten Fuss musste amputiert werden: ein schwerer Verlust, den Nora Zukker akzeptieren musste. Auf Twitter dokumentierte sie ihre Leidensgeschichte.

«Die Geschichte dieser jungen Frau hat mich bewegt», sagt Florian Früh, Oberarzt an der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am Unispital. Noch im Rollstuhl sitzend, wurde Nora Zukker nach acht Wochen Spitalaufenthalt in die Rehabilitationsklinik Bellikon gebracht. Dort ging es vor allem darum, dass sie wieder auf die Beine kam, Körperkraft aufbaute und gehen lernte. «Das war schwer», sagt sie, «ich musste auch das Treppensteigen wieder neu lernen.» Für ihren Physiotherapeuten Carsten Bohot war klar, dass Nora Zukker die Rehabilitationsklink nach einigen Wochen auf eigenen Füssen verlassen würde. Er erklärt: «Ich habe viele Jahre Erfahrung. Das hilft bei der Arbeit mit Schwerverletzten. Ich versuchte vor allem, Nora die Angst zu nehmen.»

Mit der Versehrtheit leben

Heute kann Nora Zukker wieder gehen und führt ein selbstständiges Leben. Die orthopädischen Massschuhe, die sie längere Zeit tragen musste, wurden von Turnschuhen mit Spezialeinlagen abgelöst.

Doch die Folgen des Unfalls spürt sie täglich. Nicht immer fällt es ihr leicht, die Versehrtheit ihrer Füsse und Beine zu akzeptieren. «Es gibt bessere und schlechtere Tage», sagt die junge Frau. «Grundsätzlich geht es mir heute gut, aber ein Stück Traurigkeit bleibt.»

Opferzahlen der Verkehrsunfälle steigen

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