Martin Iten hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf: Er ist Polygraph, Gemeinderat in Zug – und Klostervorsteher. Mit seiner Frau Anna und seinem achtjährigen Sohn lebt er im ehemaligen Zuger Frauenkloster Maria Opferung.
Das ist einmalig, seit 500 Jahren gab es keinen Mann in diesem Kloster. Vor neun Jahren fragten die fünf verbliebenen Schwestern die Familie, ob sie ins Kloster ziehen wolle. «Wir haben uns gefragt, wieso gerade wir?», erinnert sich Iten.
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Bild 1 von 3. Beste Lage: Das Frauenkloster liegt etwas oberhalb des Zugersees. Bildquelle: zvg.
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Bild 2 von 3. Aktuell leben 25 Menschen in Maria Opferung: 19 Frauen und 4 Männer im Alter von 18 bis 76 Jahren, sowie ein 8-jähriger Junge und ein dreimonatiges Mädchen. Bildquelle: zvg.
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Bild 3 von 3. Die Anfänge des Kloster Maria Opferung reichen ins 14. Jahrhundert zurück. Bildquelle: zvg.
Die Schwestern stellten keine Bedingungen, ausser dem Wunsch, möglichst lange im Kloster bleiben zu können. Nach dem Tod fast aller Schwestern – die letzte, Schwester Barbara, ist 96 und lebt im Pflegeheim – führt Iten zusammen mit seiner Familie und seinem Verein Anima Una das Kloster in ihrem Sinne weiter: Sie bewirtschaften und pflegen die Anlage mit ihren Betrieben und klären Erneuerungsfragen.
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Bild 1 von 2. Martin Iten mit Schwester Barbara, seiner Frau Anna und Sohn Jeremias. Bildquelle: zvg.
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Bild 2 von 2. An Ostern 2014 freut sich Schwester Barbara, dass ihr Ei beim Eiertütschen standhält. Bildquelle: Keystone/Alexandra Wey.
Eine besondere Beziehung zu den Schwestern
Iten wuchs in der Nähe des Klosters auf und hatte schon als Kind Kontakt zu den Ordensfrauen des Klosters. Schwester Anna, die langjährige Vorsteherin, beeindruckte ihn durch ihr Charisma und ihren Optimismus – selbst angesichts des Endes ihrer Gemeinschaft. Sie habe gar darin etwas Positives gesehen, nämlich «den Leuten Zeugnis davon zu geben, wie man als Gemeinschaft in einem guten Sinn stirbt.»
Der Polygraph als Totengräber
Schwester Anna hatte einen letzten Wunsch an Martin Iten: Er sollte ihr Grab schaufeln. Der Friedhof auf dem Klostergelände ist klein und eng, sodass keine Maschinen eingesetzt werden können.
Iten schaufelte das 1,5 Meter tiefe Grab von Hand. Ein bewegender Moment, wie er sagt. Er wünscht sich, selbst einmal auf diesem Friedhof begraben zu werden. «Das ist eine gute Gesellschaft. Viele Frauen», scherzt er.
Vom Bauernhof zur Sinnsuche
Martin Iten ist der Jüngste von acht Kindern und wuchs auf einem Bauernhof in Oberwil ZG auf. Seine Geschwister arbeiten alle in der Landwirtschaft. Er habe die Leidenschaft dafür nicht gespürt, obwohl er die bäuerliche Kultur schätze.
Selbstständig heisst selber und ständig
In der Oberstufe vernachlässigte Iten die Schule zugunsten seiner Freizeit. Er arbeitete an einem Grillstand, verdiente gutes Geld und fühlte sich unabhängig. Ein Vorfall nach übermässigem Alkoholkonsum markierte jedoch einen Wendepunkt und brachte ihn dazu, seinen Lebensweg zu hinterfragen.
Später begann er eine Lehre in einer Druckerei in Zug und wagte dann mit nur 20 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit. Was als Nebenerwerb begann, wurde schnell zu einer Vollzeitbeschäftigung. «Selbstständig heisst selber und ständig», stellt er fest.
Rückzug in die Einsamkeit
Mit 22 Jahren war Martin Iten ausgebrannt und steckte in einer Krise. Deshalb zog er sich für drei Jahre in eine ehemalige Einsiedelei in Nidwalden zurück. Er war fasziniert von Eremiten und Klöstern und hatte sich bereits zuvor mit Glaubensfragen auseinandergesetzt. Als Nachkomme in 17. Generation vom Einsiedler Bruder Klaus von Flüe sieht er in dessen Lebensweg eine Inspiration für sich selbst.
Anstrengend war das Leben in der Einsiedelei, und die Einsamkeit zwang ihn zur Selbstreflexion. Dennoch empfand Iten diese Zeit als segensreich.
Im Dienst der Gemeinschaft
Heute engagiert sich Iten als Gemeinderat in Zug, obwohl er sich selbst als «Hinterbänkler» bezeichnet. Er sieht sein politisches Engagement als Dienst an der Gesellschaft. Für ihn verbindet Politik und Kloster dasselbe Prinzip: den Dienst an der Gemeinschaft.