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Mobilität im Wandel Velo und Auto im Trend aber der ÖV kommt nicht richtig in Fahrt

Der ÖV gehört zu den Verlieren der Corona-Krise, Velo und Auto zu den Gewinnern. Was sind die Gründe für diesen Wandel?

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Umsteigen bitte! Genau das haben viele Schweizerinnen und Schweizer in der Corona-Krise getan. Sie bewegten sich mehr zu Fuss oder mit dem Velo und massiv weniger mit dem Zug. Viele blieben aufgrund des Homeoffice ganz zuhause.

Auf den Strassen ist wieder alles beim Alten

Seit der Bundesrat die Homeoffice-Empfehlung aufgehoben hat, ist auf den Strassen wieder alles beim Alten. Rund um die Städte Zürich, Bern, Basel, Genf oder Luzern staut sich der Verkehr morgens und abends. Die Messstellen verzeichnen ähnliche Werte wie vor Corona. Das Auto scheint als Gewinner aus der Krise hervorgegangen zu sein.

Für den Präsidenten des Automobil Clubs der Schweiz, SVP-Nationalrat Thomas Hurter, ist klar:

Das Auto ist der Gewinner. Man ist autonom und minimiert die Gefahr einer Ansteckung. Das Velofahren wird zwar zunehmen, ist aber über das Jahr gesehen kein Gewinner. Der ÖV ist der Verlierer.
Autor: Thomas Hurter Präsident Automobil Club Schweiz (ACS)

ÖV erholt sich nur langsam

Tatsächlich hat sich der öffentliche Verkehr vom massiven Einbruch der Passagierzahlen noch nicht erholt. Aus Angst vor einer Ansteckung könnten auch in Zukunft weniger Menschen in Zügen, Bussen oder Trams unterwegs sein. Dies ergab eine Umfrage des Beratungsunternehmens Deloitte Schweiz.

Für Christian Lässer, Tourismus- und Verkehrs-Experte an der Universität St. Gallen, spricht indes alles dafür, dass Bahn, Bus oder Tram früher oder später die ehemaligen Kapazitäten erreichen. Der öffentliche Verkehr als Massentransportmittel sei aus einer urbanen Schweiz nicht mehr wegzudenken, sagt er. Das findet auch Ulrich Schäffeler von der BLS:

Der ÖV ist nicht der Verlierer. Dazu ist er viel zu wichtig für die ganze Gesellschaft. Der ÖV ist zentraler Bestandteil unseres Lebens.
Autor: Ulrich Schäffeler Stellvertretender Leiter Personenmobilität BLS

Trotzdem blicken die ÖV-Betriebe mit Spannung und Nervosität auf die Zeit nach den Sommerferien im August und auf den Dezember. In diesen Monaten erneuern in der Schweiz die meisten ÖV-Nutzer ihre Abos.

Viele wollen häufiger Velo fahren

Auch das Velo scheint von der Krise profitiert zu haben. Ein Drittel der Befragten der erwähnten Deloitte-Studie gab an, künftig vermehrt zu Fuss, mit dem E-Scooter oder dem Velo unterwegs sein zu wollen. Für Ruedi Blumer, Präsident des Verkehrs-Clubs der Schweiz VCS und St. Galler SP-Kantonsrat, ist deshalb klar, dass das Velo jetzt zwingend gefördert werden müsse.

Es braucht eine Velo-Offensive. Wir müssen endlich ein sicheres und lückenloses Velonetz für Arbeitswege und Freizeit bauen, insbesondere in den Städten und Agglomerations-Gemeinden. Das Auto muss in die Schranken gewiesen werden.
Autor: Ruedi Blumer Präsident Verkehrs-Club Schweiz (VCS)

Ob Velo oder E-Bike tatsächlich vermehrt zum Pendeln an den Arbeitsplatz genutzt werden, wird jedoch bezweifelt. Ein Forschungsprojekt der ETH Zürich und der Universität Basel erfasst seit rund zwei Jahren das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung mittels Tracking. Beat Hintermann, Co-Projektleiter der Studie und Professor für Umwelt-Ökonomie in Basel, stellt fest:

Velofahrten fanden in der Corona-Zeit fast ausschliesslich zu Freizeitzwecken – und nicht zu den normalen Pendlerzeiten – statt.
Autor: Beat Hintermann Professor für Umwelt-Ökonomie in Basel

Zudem werde der Velo-Boom interessanterweise durch die reicheren Haushalte angetrieben. «Bei den ärmeren 40 Prozent sehen wir keinen derartigen Trend.»

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