Das Team um den Linguisten Adrian Leemann von der Universität Bern wollte es genauer wissen, das mit dem grammatischen Geschlecht des Virus und mit der Aussprache von «Quarantäne». Eine gemeinsam mit SRF lancierte Umfrage lässt interessante Schlüsse auf diese Sprachvarianten ziehen.
Der oder das Virus? - Kommt drauf an!
Ursprünglich stammt das Wort «Virus» aus der medizinischen Fachsprache und ist sächlich. Auch in der Umfrage bevorzugen rund zwei Drittel der Teilnehmenden «das Virus».
Die Auswertung der Umfrage zeigt aber: Je jünger die Teilnehmenden, desto höher der Anteil derer, die «der Virus» sagen.
Woher kommt diese offenbar fortschreitende «Vermännlichung»?
Eine Hypothese: Vielleicht wird «Virus» von ähnlichen Wörtern wie «Alpinismus», «Luxus» oder «Zirkus» infiziert. Wörter mit der Endung -us sind im Deutschen nämlich fast immer männlich. Eine Analogiebildung also?
Interessant auch, dass «Virus» als Krankheitsserreger zwar sächlich, bei «Computervirus» aber überwiegend männlich ist. Das grammatische Geschlecht scheint zwischen Medizin und EDV zu unterscheiden.
Vielleicht überträgt sich also die Männlichkeit des Virus vom Computer über die Jugend allmählich auf den Krankheitserreger.
«Le covid» oder «la covid»?
In Frankreich wurde diese Debatte über das korrekte Geschlecht schon im Frühling geführt. Die Académie Française wollte «la covid» vorschreiben, kam aber zu spät: «Le covid» hatte sich bereits durchgesetzt, übrigens auch in der Romandie. Vielleicht ist deshalb auch in den deutschsprechenden Gebieten des Wallis und Freiburgs, direkt an der Sprachgrenze, «der Virus» die häufigere Variante (vgl. Karte).
«Garantäne», «Kcharantäne» oder «Kchwarantäne»?
Farbiger ist das Bild bei der Aussprache von «Quarantäne» (vgl. Karte). Die vier Varianten «Garantäne», «Kcharantäne», «Kchuarantäne» und «Kchwarantäne» kommen in allen acht Grossregionen der Deutschschweiz vor, aber jeweils mit verschiedenen Vorlieben.
Die Nordwestschweiz bevorzugt die ältere Aussprache «Garantäne». Das Wort ist zwar ursprünglich italienisch, aber aus dem Französischen ins Deutsche gekommen, und «Garantäne» entspricht der französischen Aussprache. Auch hier ist es vielleicht nicht zufällig, dass alle Kantone an der Sprachgrenze hohe Anteile dieser französischen Aussprache haben.
Demgegenüber favorisiert die Nordostschweiz, traditionell offener gegenüber sprachlichen Einflüssen aus Deutschland, die bundesdeutsche Lautung «Kcharantäne». Die Zentralschweiz, Bern, Zürich und Graubünden bevorzugen «eigene» Varianten, nämlich eine vom Schriftbild motivierte und anderen Wörtern wie «Quartier» oder «Qualität» angeglichene Aussprache mit «kchua-» oder «kchwa-».
Diese Erkenntnisse helfen wenig gegen die Pandemie. Aber sie helfen gegen die sprachliche Verunsicherung, denn sie zeigen, dass es kein «richtig» und «falsch» gibt. Es gibt Varianten, von denen jede ihre eigene Geschichte hat.
Was sind Ihre Beobachtungen? Was fällt Ihnen auf?
Hat Corona auch Ihre Sprache verändert? Welche Begriffe haben Sie in den letzten Monaten dazugelernt? Schreiben Sie es in die Kommentare.
Englische Ausdrücke, eigenartige Pluralformen oder Germanismen: Der schöne Schweizer Dialekt geht bachab. Wie schlimm steht es um unsere Sprache? Nadia Zollinger ist besorgt, doch SRF-Dialektforscher Markus Gasser sieht die ganze Sache lockerer.
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