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Sprachliches Framing «Preisänderung» oder «Preiserhöhung»? – die folgenreiche Wortwahl

Die Wortwahl beeinflusst, wie etwas vom Gegenüber eingeordnet wird. Das wird bewusst eingesetzt – von Politikern und Werberinnen, aber auch von uns allen.

Reden wir vom «Klimawandel» oder von der «Klimakrise»? «Klimawandel» tönt sachlich, wissenschaftlich, kontrolliert. «Klimakrise» hingegen alarmiert und fordert implizit zum Handeln auf.

Dieselbe Sache wird je nach Bezeichnung also in ein anderes Licht gerückt. Jede Bezeichnung aktiviert automatisch einen bestimmten Bedeutungsrahmen, ein sogenanntes «Frame». «Framing» ist deshalb der Fachbegriff für dieses «in ein bestimmtes Licht rücken».

Gezielt eingesetzt

Framing wird gerade im öffentlichen Diskurs gezielt eingesetzt: Klimaaktivistinnen sprechen ganz bewusst von der «Klimakrise» – ihre Absicht ist es, zu alarmieren und zum Handeln aufzufordern. Personen, die den menschgemachten Klimawandel leugnen oder seine Folgen herunterspielen, verwenden hingegen neutralere, unter Umständen verharmlosende Begriffe wie «Klimaveränderung» oder «Klimawandel».

Ähnlich ist es beim Begriffspaar Kernkraft/Atomkraft: «Kernkraft» wird tendenziell von den Befürwortern dieser Technologie verwendet, «Atomkraft» von den Gegner. Auch hier steckt Absicht dahinter: Während das Wort «Kern» neutrale oder positive Assoziationen (Pflanzenkerne) hervorruft, stellt der Begriff «Atomkraft» diese Technologie in einen negativ behafteten Bedeutungsrahmen zusammen mit Atomwaffen.

Und nicht nur in politischen Debatten wird geframt, was das Zeug hält. Auch im Marketing ist Framing allgegenwärtig. Etwa, wenn von einer «Preisanpassung» oder «Preisänderung» statt von einer «Preiserhöhung» die Rede ist.

Screenshot einer Nachricht von Netflix, in der die Erhöhung der Abopreise kommuniziert wird.
Legende: Der Streaming-Dienstleister Netflix hat kürzlich eine Erhöhung der Abopreise in der Schweiz angekündigt. Kommuniziert wurde diese Preiserhöhung allerdings mit den Wörtern «Preisänderung» und «ändern». NAU.ch

Framing wirkt – auch privat

Wir alle betreiben – ganz privat – Framing: Wenn ich zum Beispiel jemanden überreden möchte, mit mir an ein Fest zu kommen, werde ich dafür Begriffe wie «Party» oder «Fete» verwenden. Bezeichnungen wie «Hundsverlochete» oder «Chäferfescht» werde ich hingegen vermeiden, weil diese negativ besetzt sind.

Wie wirkmächtig sprachliches Framing sein kann, zeigten schon vor Jahrzehnten wissenschaftliche Experimente. So etwa jene beiden von Elizabeth F. Loftus und John C. Palmer im Jahr 1974: Dabei schätzten Probanden das Tempo von Autos vor einem Zusammenstoss umso höher ein, je drastischer das Verb war, das in der Frage enthalten war. Bei «contacted» (deutsch: kontaktierte, berührte) war das geschätzte Tempo mit durchschnittlich 31,8 Meilen pro Stunde deutlich tiefer als bei «smashed» (zertrümmerte) mit 40,5 Meilen pro Stunde.

Die Experimente von Loftus/Palmer

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1. Experiment

45 Studenten wurden sieben Filme von kollidierenden Autos gezeigt. Nach jedem Film wurden die Studenten gefragt, wie sie das Tempo des verunfallenden Autos einschätzen würden.

Dabei enthielt die Frage bei je neun der Probanden ein anderes Verb für 'kollidierte'. Je nach Verb fiel das geschätzte Tempo unterschiedlich hoch aus:

smashed 40,8 mph
collided 39,3 mph
bumped 38,1 mph
hit 34,0 mph
contacted 31,8 mph

2. Experiment

In einem zweiten Experiment wurde 150 Studenten ein Film eines Unfalls mit mehreren Autos gezeigt. Danach wurden 100 Studenten nach dem Tempo der Fahrzeuge gefragt – 50 davon mit dem Verb «smashed», 50 davon mit dem Verb «hit». 50 Studenten wurden nicht nach dem Tempo gefragt.

Wieder schätzten die Probanden, die mit dem Verb «smashed» gefragt wurden, das Tempo höher ein als jene, die mit «hit» gefragt wurden.

Eine Woche später wurden die 150 Studenten gefragt, ob sie im Film hatten Glas splittern sehen (was nicht der Fall gewesen war). Von jenen, die eine Woche zuvor mit «smashed» gefragt worden waren, antworteten deutlich mehr mit «ja», als diejenigen, die mit «hit» oder überhaupt nicht nach dem Tempo gefragt worden waren.

Dies zeigt, wie sehr Framing nicht nur unsere unmittelbare Sicht auf Dinge beeinflussen kann, sondern auch unsere spätere Erinnerung daran.

Artikel zum Experiment

Framing wird vielfach bewusst eingesetzt, etwa in Politik oder Marketing. Oft steckt aber auch keine Absicht dahinter. Längst nicht alle Menschen haben Hintergedanken, wenn sie von «Kernkraft» bzw. «Atomkraft» sprechen. Aber mangels eines neutralem Begriff müssen sich alle für den einen oder anderen entscheiden. Und können so nicht verhindern, dass das Gegenüber sie anhand der Wortwahl möglicherweise im Pro- oder Anti-Atomkraft-Lager verortet.

Heikle Sache

Wir alle framen also, ob wir wollen oder nicht. Sprache kann gar nicht vollkommen neutral sein. Deshalb ist Framing auch nicht per se zu verurteilen. Bis zu einem gewissen Grad ist es sogar legitim, dass Interessengruppen Sachverhalte in ihrem Sinn framen.

Heikel oder gar gefährlich wird es, wenn Behörden oder auch Medien, denen hohes Vertrauen entgegengebracht wird, Framing in unlauterer Weise betreiben.

Radio SRF 1, Dini Mundart, 27.10.2025, 9:40 Uhr

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