«I bi immer de Hübschte»
Die «Bachelorette» ist wieder da. Zum siebten Mal buhlen auf einem Schweizer Privatsender muskelbepackte Mannen um eine paarungswillige Frau. Schon nach zwei Minuten verkündet einer: «I bi immer de Hübschte». Während die Bachelorette herself «de stäinig Wäg zur Sälbstfindig gfunde het». Und schon zweifelt der Bildungsbürger in mir, ob das jetzt das Ende unserer Hochkultur ist oder die Morgenröte einer neuen Kreativsprache.
Englische Ausdrücke, eigenartige Pluralformen oder Germanismen: Der schöne Schweizer Dialekt geht bachab. Wie schlimm steht es um unsere Sprache? Nadia Zollinger ist besorgt, doch SRF-Dialektforscher Markus Gasser sieht die ganze Sache lockerer.
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«Söll emal cho!»
Aber von vorne. Der Vorwurf der Volksverblödung begleitet die Massenmedien, seit sie existieren. Vielleicht auch deshalb, weil sie immer schon unsere Alltagssprache beeinflusst haben. Jede Generation hat ihre eigenen Slogans, die viral gehen. In den 1940ern zum Beispiel das (falsche) Zitat «Schau mir in die Augen, Kleines!» aus dem Kinoklassiker «Casablanca». Oder in den späten Siebzigern das legendäre «Söll emal cho!» aus dem «Teleboy».
«Gugus gsii und Gugus gebliibe»
Seit den 80er-Jahren gelangen neue Sprüche aus Strasseninterviews im Privatfernsehen in die Jugendsprache, zum Beispiel «s Beschte wos je hets gitz» , «Gugus gsii und gugus gebliibe» oder «i bin gewese in Stube, sitzen» . Ganz zu schweigen eben von «Bachelor» und «Bachelorette», Trash-TV-Sendungen, die seit Jahren Sprachblüten am laufenden Band liefern – denn «ihri Auge händ blinked» und «sie isch es Bilderbuech von ere Frau» .
Mündliche Sprache ist nie normgerecht
Doch nicht alles davon ist ein Fanal für den Sprachzerfall. Seien wir ehrlich: Bei den wenigsten Menschen kommen druckreife Sätze heraus, wenn sie unverhofft in ein Mikrofon reden müssen. Zu spontan die Situation, zu gross der plötzliche Stress vor der Kamera. Vor allem aber: Mündliche Sprache ist, gemessen an der hochsprachlichen Norm, per se «fehlerhaft».
Weil ein Gedanke direkt beim Reden entwickelt wird, verläuft die Rede flexibel und sprunghaft. Das produziert kleine Normverstösse, die dann aus dem Kontext gerissen und zu Schlagzeilen in den Boulevard-Medien werden. Oder zu Memes in den sozialen Netzwerken.
«Sie stoot drüber hinwäg»
Gewisse Fehler deuten aber tatsächlich auf die Sprachkompetenz einer Person. Wenn jemand von «Nervösigkeit» spricht oder «sie stoot drüber hinwäg» sagt. Hier geht es um Wortbildung und um feste Wortverbindungen. Beides gehört zum Schwierigsten beim Erlernen einer Fremdsprache, denn man kann es nicht logisch ableiten. Man muss einfach wissen, dass «nervös» im Deutschen als «Nervosität» zum Substantiv wird und nicht als «Nervösigkeit». Das ist in jeder Sprache so.
Über solche kleinen, feinen Verschiebungen lachen wir besonders hämisch, wenn sie von Fremdsprachigen kommen. Bei unseren Kindern finden wir sie herzig...
«Mäinsch bisch du krass will du Bändeli häsch?»
Dass Wörter und Sprüche aus dem Trash-TV Kult werden, liegt simpel daran, dass sie eben ein Massenphänomen sind. Aber es braucht auch Protagonisten mit einem gewisses Charisma und Situationen mit Wiedererkennungseffekt. So wie Osman in der legendär gewordene TV-Show «Fohrler live» (2001), wo sich eine Handvoll Jugendlicher zofften. Osmans Spruch «Mäinsch bisch du krass will du Bändeli häsch?» gehört bei den Millennials noch heute zum Allgemeingut.
Solche Beispiele stützen Leon Festingers Theorie des sozialen Vergleichs: Lachen gegen «unten», über Menschen mit weniger Bildung und Sprachkompetenz, erhöht den Eigenwert. Nicht ganz fair, denn schliesslich ist es auch entlastend, dass man nicht selber im Rampenlicht stehen und zum Gespött werden muss. Das sollten wir stets «im Hingergedanke bhaute».
Legendäre Schweizer TV-Sprüche in der Satiresendung «Zwei am Morge»: