112 Jahre alt ist die Offene Rennbahn in Zürich Oerlikon. Ein stolzes Alter für eine Anlage, die in den vergangenen Jahrzehnten zigmal kurz vor dem Aus stand. Alois Iten kennt die Geschichte der Rennbahn wie kein zweiter.
Der Betriebsleiter mit fünf Fakten zur Entstehung und Entwicklung dieses Zürcher Monuments.
1. Aufschwung fürs Oerliker Tram
1892 wurde die erste Radrennbahn in Zürich Albisrieden gebaut – von einem Kiesunternehmer. Rund 20 Jahre später musste die Bahn dem Kiesabbau weichen, ein neuer Standort war gefragt. «Der Direktor der privaten Tramstrecke Zürich-Oerlikon-Seebach wollte die Rennbahn unbedingt nach Oerlikon holen.»
Der Grund: «Er war mit der Privatbahn in den roten Zahlen und erhoffte sich durch die Rennen einen Aufschwung.»
Die Rennbahn kam 1912 tatsächlich nach Oerlikon. Fortan pilgerten Sonntag für Sonntag tausende Leute zu den Rennen, was die Tramlinie sanierte.
2. Hallenstadion Zürich gibt’s wegen der Rennbahn
Da in den 1930er-Jahren immer wieder Radrennen wetterbedingt abgesagt werden mussten, kam die Idee auf, die Rennbahn zu überdachen. Man entschied sich dann aber für den Bau einer Halle in unmittelbarer Nähe. «Das Hallenstadion wurde 1939 eröffnet und ursprünglich nur für Radrennen genutzt.»
Erst ab den 1950er-Jahren wurde aus dem Stadion eine Mehrzweckhalle, die unter anderem dem damaligen Zürcher Schlittschuh-Club als Heimstätte diente.
3. Drehort des Kultfilms «Bäckerei Zürrer»
Emil Hegetschweiler, Peter Brogle, Ettore Cella: die grossen Schweizer Filmstars zu Gast auf der Rennbahn. Im Film «Bäckerei Zürrer» (1957) geht es um Bäckersohn Heini, der gerne Radprofi werden würde.
«Als ich bei der Rennbahn ankam, sah ich einen Mann mit einem Megafon, Filmrollen, Schauspieler», erinnert sich Iten. «Da war mir klar, dass etwas Besonderes vor sich geht.»
Er konnte als Knirps mitverfolgen, wie in der vollbesetzten Rennbahn Filmszenen gedreht wurden - für einen der grössten Klassiker der Schweizer Filmgeschichte.
4. Reggae-Rad für Bob Marley
Im Mai 1980 spielte Bob Marley im Zürcher Hallenstadion . Die Veranstalter überraschten den jamaikanischen Musiker mit einem besonderen Geschenk: einem Fahrrad in den typischen Reggae-Farben rot, gelb und grün. «Sie haben mich wenige Tage vor dem Konzert gefragt, ob ich so ein Velo fertigen könnte», sagt Iten, damaliger Besitzer einer Velowerkstatt.
Also hat Iten unter Hochdruck ein auf Marleys Masse angepasstes Fahrrad gebaut und es in den gewünschten Farben spritzen lassen. «Marley sei damit auf der Bühne herumgefahren, heisst es – aber ein Foto habe ich leider keins.»
5. Und die Offene Rennbahn steht immer noch
Die Offene Rennbahn steht unter kantonalem Denkmalschutz. Der Betrieb ist vorerst bis ins Jahr 2030 gesichert. Aber es gab in den letzten Jahrzehnten zuhauf Pläne, wie man das Grundstück anderweitig nutzen könnte.
Ich finde es eher verblüffend, dass es Leute gibt, die die Rennbahn weg haben wollen.
Die Erweiterung der Messe Zürich stand zur Debatte oder der Bau einer U-Bahnstation, der die Rennbahn hätte weichen müssen. Ausserdem hegten gewisse Kreise den Wunsch einer Zürcher Olympia-Kandidatur für die Winterspiele 1976. «Die Idee war, auf dem Bahnareal das Olympiadorf zu bauen.» Pläne, die das Stimmvolk ablehnte.
Auch der Bau eines Hallenbads, eines Altersheims oder eines Eishockeystadions scheiterten an der Urne oder am Widerstand der Bahnliebhaber. Über all die Jahrzehnte gesehen, ist es durchaus verblüffend, dass es die Offene Rennbahn immer noch gibt. Alois Iten sieht es anders. «Ich finde es eher verblüffend, dass es Leute gibt, die sie weg haben wollen.»