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Mit Muskelkraft auf Schienen Mit dem Schienenvelo durchs Sensetal

Die Sensetalbahn (STB) verband ab 1904 die Ortschaften Laupen und Gümmenen im Berner Seeland. Nachdem der Betrieb 1993 eingestellt und die Linie stillgelegt wurde, haben die Strecke kurzzeitig Museumszüge befahren. Seit gut 25 Jahren sind hier Schienenvelos unterwegs.

Mit dem Schienenvelo geht es auf der stillgelegten Bahnlinie zwischen Laupen BE und Gümmenen durch eine der schönsten Landschaften der Schweiz – Natur pur, eine Prise Nostalgie und Bewegung inklusive. Zwei Personen treten, zwei dürfen mitfahren und die Aussicht ohne Anstrengung geniessen. Ein Spass der besonderen Art, wie Outdoor-Reporter Marcel Hähni findet.

Marcel Hähni

SRF-1-Outdoor-Reporter

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Marcel Hähni, Jahrgang 1970, ist Redaktor und Produzent bei Radio SRF 1 und ausgebildeter Wanderleiter. Regelmässig berichtet er auf der News App, srf1.ch und im Radio über seine neusten Abenteuer und verrät Tipps und Tricks für die Outdoorwelt.

Ich trete mit Erich Scheidegger in die Pedale. Er ist der Chef und Besitzer der Schienenvelos und der Gleisanlagen der stillgelegten Bahnstrecke. Rund 5 Kilometer Schienen zwischen Laupen und Gümmenen. Die Instruktionen bekomme ich somit aus erster Hand. Der letzte Direktor der Sensetalbahn AG hat die Strecke gleich selber gekauft, als sie 1993 stillgelegt wurde. Die Schienenvelos stammen aus den Vogesen in Frankreich. In Frankreich gehören Draisinen-Ausfahrten zu den beliebten Freizeitaktivitäten.

Es geht praktisch alles geradeaus, nur das letzte Stück braucht etwas mehr Muskelkraft. Denn dort geht es fast genauso steil hinauf wie am Gotthard.
Autor: Erich Scheidegger Besitzer Schienenvelo

Rund fünf Minuten hinter dem alten Bahnhof und gut zehn Minuten von der neuen Haltestelle in Laupen, liegt das Depot der 13 Schienenfahrzeuge. Wobei hier in Laupen nur 12 stationiert sind. Eines befindet sich als Reservefahrzeug am Endpunkt der Linie auf dem Wittenberg in der Nähe des Viadukts von Gümmenen. «Es geht praktisch alles geradeaus, nur auf dem letzten Stück braucht es mehr Muskelkraft. Denn dort geht es fast genauso steil hinauf wie am Gotthard,» meint Erich Scheidegger. Am Gotthard ist die Steigung 27 Promille, hier sind es 25 Promille.

Für mich heisst es jetzt: In die Pedale, fertig, los! Schon nach den ersten Metern spürt man: Das ist mehr als nur ein gemütlicher Ausflug. Die Richtung ist vorgegeben, das Tempo macht der Fahrer oder die Fahrerin. Es ist ein Erlebnis für alle Sinne. Links und rechts breiten sich Felder aus, Kühe grasen und auf einmal blitzt die glitzernde Saane durch die Baumreihen.

Ich trete auch für Erich Scheidegger in die Pedale. Der kann für einmal seine Beine hängen lassen. Der ehemalige Bähnler kommt währenddessen ins Erzählen. Die stillgelegte Bahnlinie habe er aus nostalgischen Gründen gekauft, als er seine langjährige Bahnkarriere beendete und etwas Neues begann.

Nach rund 5 Kilometern erreichen wir den Endpunkt. Den Wittenberg. Hier hat Erich Scheidegger einen grossen Picknickplatz, wo er auch Outdoor-Aktivitäten anbietet. Die Schienen zum Bahnhof Gümmenen existieren nicht mehr. Die Verbindung zum einstigen Bahnknotenpunkt ist unterbrochen. Nach einer Pause geht es zurück.

Auf halber Strecke heisst es: anhalten. Von Laupen her kommen uns auf der einspurigen Strecke eine Draisine entgegen. Wir steigen ab, heben unser Gefährt von den Schienen und stossen es zur Seite. Das geht zu meinem Erstaunen zu zweit ganz einfach, obschon so ein Schienenvelo rund 110 Kilogramm wiegt. Normalerweise ist eine solche Aktion gar nicht nötig. Es gibt Abfahrtszeiten für in die eine Richtung und Abfahrtszeiten für in die andere Richtung. Ich habe mit meinem Besuch den Fahrplan durcheinandergebracht. Wir setzen unsere Draisine wieder auf die Schienen und fahren zurück zum Ausgangspunkt in Laupen.

Das Schienenvelo – die Draisine

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Bahnangestellter auf einer Draisine.
Legende: Keystone/ Archiv/ Eugen Sutter

Das Schienenvelo, auch Fahrraddraisine genannt, wurde von Bahngesellschaften zu Hilfszwecken gebraucht. Es kam bei Streckenwartungen, Transport von Arbeitern und Werkzeugen oder im Bergbau und Militär zum Einsatz. Betrieben wird es mit Pedalen oder über einen Handantrieb. Für beides bedarf es menschlicher Kraft, um das Gefährt in Bewegung zu setzen.

Erfunden hat die Draisine Karl Drais, der 1817 eine Laufmaschine für die Strasse entwickelte und die Erfindung 1818 zum Patent anmeldete. In den kommenden Jahren wurde die Draisine weiterentwickelt. 1842 wurde ein solches Fahrzeug erstmals für die damals Grossherzoglich Badische Staatseisenbahn in Deutschland erprobt.

Der Verein Depot und Schienenfahrzeuge Koblenz widmet sich der Geschichte der Draisine in der Schweiz. So erfährt man auf der Vereinsseite, dass alleine für Schweizer Bahnen zwischen 1923 bis ca. 1944 vom Schweizer Fahrzeughersteller Asper aus Dietikon und Küssnacht über 600 Benzindraisinen geliefert wurden.

In Österreich waren bis in die 1980er Jahre Draisinen auf dem Bahnnetz zur Streckenwartung im Einsatz. In Rumänien werden Draisinen bei Waldbahnen immt noch als Transportmittel für die Holzarbeiter eingesetzt.

Heute werden diese Schienenfahrzeuge praktisch nur noch touristisch verwendet. Mit den Schienenvelos in Laupen kann ein Tempo von rund 25 Kilometern pro Stunde erreicht werden.

Die Schienenvelo-Tour war für mich Bewegung, Natur und ein kleines bisschen Eisenbahnromantik. Und das nächste Mal nehme ich meine Hunde mit. Die dürfen nämlich auf den Schienenvelos auch mitfahren.

Radio SRF 1, 26.09.2025, 08.40 Uhr

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