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Playmobil wird 50 Jahre alt Darum fasziniert Playmobil seit Jahrzehnten

Die Spielzeugmarke Playmobil feiert ihren 50. Geburtstag. Pro Jahr produziert der Hersteller mehrere Millionen Figuren. Warum Playmobil bei Kindern zieht und welche psychologische Anziehungskraft hinter den kleinen Figuren steckt.

Sie sind 7.5 Zentimeter gross, haben ein freundliches Lächeln, und ihr Vater heisst Horst Brandstätter: Playmobilfiguren.

1974 erblicken die ersten Playmobilmännchen das Licht der Welt. Zwei Jahre später führt Playmobil erstmals weibliche Figuren ein. Es folgen Fahrzeuge, Häuser, Tiere und schliesslich ganze Spielwelten. Trotz grosser Konkurrenz besteht der Spielzeugklassiker seit nunmehr 50 Jahren. Über 3.8 Milliarden Playmobilfiguren wurden seit 1974 bereits angefertigt.

Die wirtschaftliche Situation von Playmobil

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  • Die Marke Playmobil gehört zur geobra Brandstätter Stiftung & Co. KG. Die Obergesellschaft ist die Horst Brandstätter Holding GmbH.
  • 2023 wurde bekannt: Der Playmobil-Mutterkonzern streicht rund 700 Stellen weltweit . Grund dafür sei eine schwierige wirtschaftliche Lage, unter anderem durch anhaltende Auswirkungen der Corona-Pandemie.
  • Im Geschäftsjahr 2022/23 sank der Umsatz von 653 Millionen Euro auf 614 Millionen Euro. Gegenüber der deutschen Zeitung «Zeit» sagte Playmobil-Chef Bahri Kurter im Dezember 2023 dennoch, dass man mit dem Weihnachtsgeschäft «zufrieden» sei.
  • Der grösste Konkurrent ist und bleibt Lego: Im Jahr 2022 übertraf das dänische Unternehmen Playmobil mit einem rund 155-mal höheren Umsatz deutlich.

Wie hat Playmobil es geschafft, Kinderherzen zu erobern? Sacha Szabo, Soziologe am Institut für Theoriekultur Freiburg, nennt drei Gründe, weshalb Playmobil seit Jahrzehnten fasziniert.

Sacha Szabo

Soziologe

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Sacha Szabo ist Popsoziologe am Institut für Theoriekultur Freiburg. 2014 publizierte er zusammen mit Hannah Köpper den Band «Playmobil durchleuchtet» . Aus dem Blickwinkel verschiedener Wissenschaftsdisziplinen und zusammen mit verschiedenen Expertinnen und Experten geht Szabo dem Phänomen Playmobil auf den Grund.

1. Playmobilfiguren sind «Handschmeichler»

Die 7.5 Zentimeter kommen nicht von ungefähr. Für die Grösse der Figuren hat man eine durchschnittliche Kinderhand als Referenz genommen, sagt Sacha Szabo. Die Figuren haben etwas organisches und realitätsnahes, und das zieht Kinder an.

Im Gegensatz zu anderen Plastikfiguren haben die von Playmobil kaum Kanten. Sie haben runde Formen, ein freundliches Lächeln und für Kinder eine angenehme Grösse: «Sie sind Handschmeichler.»

Playmobil vs. Play-BIG

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Mehrere aufgestellte Play-BIG-Figuren und eine Playmobilfigur.
Legende: Playmobil und Play-BIG im Vergleich Wikipedia/sky ffm

Der Vergleich zwischen Playmobil und Play-BIG zeigt, dass die Grösse und Form der Figuren eine Rolle spielen. Play-BIG ist ein Systemspielzeug, das die BIG-Spielwarenfabrik GmbH & Co KG herstellte.

1975, ein Jahr nach der Einführung von Playmobil, erschien Play-BIG auf dem Markt. Auf den ersten Blick sehen sich beide Figuren ähnlich. Play-BIG-Figuren waren allerdings grösser und kantiger.

Dennoch klagte geobra Brandstätter aufgrund der grossen Ähnlichkeit gegen BIG. Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten von Play-BIG, indem er die Figuren nicht als Plagiat ansah. Das Gericht urteilte, dass «Play-BIG-Figuren den Eindruck eines selbstbewussten, sportlichen, aggressiven Mannes vermitteln, wohingegen das Playmobil-Männchen die Wirkung von einem Kind, nett und noch unsicher auf den Beinen», haben.

Letztendlich gefiel der «Handschmeichler» Playmobil den Kindern der 70er-Jahre besser. Die Produktion von Play-BIG-Figuren wurde 1979 kurz nach Prozessende eingestellt. Heute ist der Spielzeughersteller bekannt für seinen millionenfach verkauften Bobby Car.

Dazu kommen die Beweglichkeit der Arme und Beine sowie die Möglichkeit, die Figuren aufzustellen. «Mit Playmobilfiguren können Kinder spezifischere und komplexere Handlungen vollziehen als mit einer statischen Figur.»

2. Kinder werden zu Regisseuren

Man könnte meinen, das Anziehende an Playmobil sei das Rollenspiel mit den Figuren. Sacha Szabo aber sagt: «Es ist nicht so, dass die Kinder in eine Rolle schlüpfen. Vielmehr werden sie zum Regisseur, zum Erzähler.» Durch diese Position entsteht für die Kinder ein Moment des Erhabenseins.

Das Geschichtenerzählen macht den Zauber und den Charme dieser Figuren aus.
Autor: Sacha Szabo Popsoziologe

«Der Alltag benötigt immer eine gewisse Form von Aufmerksamkeit oder Wachsamkeit. Bei Playmobil aber sind es geschlossene Welten, in denen ein Stück weit Ordnung herrscht.» Die Kinder können selbst entscheiden, welche Geschichten sie erzählen, was die Figuren tun oder wie sie sich entwickeln.

Die Figuren stehen klar im Zentrum, sagt Sacha Szabo. Bei Lego beispielsweise gehört der Pilot als Figur genauso dazu wie das Düsentriebwerk. Bei Playmobil ist das Herzstück die Figur, und mit dieser wird eine Geschichte erzählt: «Das Geschichtenerzählen macht den Zauber und den Charme dieser Figuren aus.»

Diese Welt, die man mit Playmobil bauen kann, ist eine lebendige, dynamische Welt.
Autor: Sacha Szabo Popsoziologe

Das können auch reale Erlebnisse sein, erklärt der Soziologe. Das Erzählen von Geschichten erlaubt es den Kindern, emotionale Erlebnisse in die Erzählung einzubetten. Insbesondere jene, die sie irritieren. «Sie können den erlebten Moment weitererzählen, ein gutes Ende einflechten oder das Geschehnis aufarbeiten.»

3. Welten neu interpretieren

Austauschbare Perücken oder Kleidungsstücke ermöglichen es, die Figuren individuell zu verändern. Tauscht man den Baustellenhelm durch eine Krone, hat man eine Königin oder einen König.

Warum Kinder das tun, weiss Sacha Szabo: «Das geschieht organisch, dass sie vorgegebene Dinge aus dem Gewohnten herausnehmen und in einer ganz eigenen Art nutzen oder decodieren.» Figuren und Welten neu zu interpretieren, ist mit Playmobil möglich: «Diese Welt, die man mit Playmobil bauen kann, ist eine lebendige, dynamische Welt.»

So hat sich Playmobil über die Jahre verändert

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  • 1974: Playmobil startete mit nur drei Figuren: Bauarbeiter, Indianer und Ritter.
  • 1976: folgte eine Differenzierung der Geschlechter mit den ersten weiblichen Figuren.
  • 1984: Das erste Playmobil-Baby kam auf den Markt.
  • Ende 80er: Die Playmobilfiguren waren nun viel individueller gestaltet, bspw. mit einem runderen Körper für Frauen. Ausserdem folgten immer mehr Häuser, Fahrzeuge, Accessoires und Tiere.
  • 2015: Playmobil schloss eine erste Lizenzpartnerschaft mit Porsche.
    Zum Vergleich: Lego startete mit seinen Lizenzprodukten bereits im Jahr 1999.
  • 2019–2021: Mit Playmobil «Novelmore» und Playmobil «Dino Rise» produzierte die Marke jeweils eine eigene Serie auf Youtube. Die Spielsets und Figuren wurden speziell auf diese Inhalte ausgerichtet.
  • 2022: Playmobil führte die nachhaltige Produktreihe Wiltopia ein.
  • Heute: Die Grundform der Playmobilfiguren ist gleich geblieben. Dem Zeitgeist musste sich die Marke jedoch anpassen. Kein Plastik-Bierkasten im Bauarbeiter-Set, kein Tanzbär in der Mittelalter-Spielwelt, und den Bankräuber gibt es auch als weibliche Variante – weil Kriminalität schliesslich keine rein männliche Domäne ist.

Radio SRF 1 «Treffpunkt», 02. Februar 2024, 10:00 Uhr ;kobt

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