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«2 x Weihnachten» «Wenn ich mir keine Unterhosen leisten kann, fühle ich mich arm»

Über 8 Prozent der Menschen in der Schweiz leben in Armut. Was die grössten Herausforderungen im Alltag sind und wie es überhaupt so weit kommen kann, erzählen drei Betroffene im Videoporträt.

Renate Greber: «234 Franken Stromrechnung sprengen mein Budget»

Video
«Wenn ich keine Unterhosen kaufen kann, fühle ich mich arm»
Aus Radio SRF 1 vom 13.12.2019.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 27 Sekunden.

Eigentlich wollte Renate Greber den dritten Montessori-Kindergarten in Bern aufmachen, doch während der Ausbildung wurde sie schwanger und konnte deshalb ihre Röteln-Impfung nicht aktualisieren. Diese hätte sie aber gebraucht, um die Prüfungen abzulegen. Nach der Geburt ihres Sohnes unterstützt sie dessen Vater nicht ausreichend, um die Ausbildung noch beenden zu können. Greber wird abhängig von Sozialgeld und bei ihr wird eine Belastungsstörung diagnostiziert.

Arbeiten wollen, aber nicht können

Wegen dieser Belastungsstörung kann Greber nur knapp 30 Prozent arbeiten, hat immer wieder Nervenzusammenbrüche und muss krankgeschrieben werden. Das frustriert. «Ich würde gerne 100 Prozent arbeiten und von diesem ganzen System unabhängig sein. Ich kann es aber einfach nicht», sagt Greber.

Weihnachten in kleinem Kreis

«Früher haben wir noch grosse Familienfeste gefeiert an Weihnachten», sagt Greber, «mittlerweile ist es nichts Besonderes mehr.» Sie würde schlicht mit ihren beiden Söhnen gut essen, sonst nichts.

Video
«Ich lebe von 1500 bis 2000 Franken im Monat»
Aus Radio SRF 1 vom 13.12.2019.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 28 Sekunden.

Danica Graf wuchs mit wenig Geld auf, machte eine Ausbildung zur Tierpflegerin und eröffnete mit 25 ihr eigenes Tierheim in einem gemieteten Bauernhaus. «Für mich ging ein Traum in Erfüllung, auch wenn ich dabei nicht viel verdiente», sagt Graf. Zeitgleich wurde sie Mutter einer Tochter, die sie grösstenteils alleine grosszog.

Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag

In einer Beziehung wird Danica Graf jahrelang vergewaltigt und bedroht. Nach vielen Versuchen gelingt ihr die Trennung. Als sie dann die Kündigung des Bauernhauses erhielt, hatte Graf weder eine Wohnung noch eine Arbeitsstelle, entwickelte eine Posttraumatische Belastungsstörung. Bis heute lebt sie am Existenzminimum.

Einkaufen ist konstanter Stress

«Ich weiss nie, wieviel Geld ich tatsächlich zu Verfügung habe, das ist das Schwierigste», schildert Graf. «Es ist auch alles enorm zeitaufwändig. Ich muss Aktionen durchforsten und auf Flohmärkten nach Kleidern suchen. Da kann ich aber auch nie sicher sein, dass ich etwas finden werde.»

Sparen für Geschenke

Weihnachten feiert Graf im kleinen Rahmen bei ihren Eltern, mit ihrem Bruder und seinen Kindern. Die Erwachsenen untereinander schenken sich nichts mehr, für die Kinder von Graf und ihrem Bruder gibt es mittlerweile noch etwas Kleines.

Markus Christen: «Der Umgang mit Geld wurde nie thematisiert»

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«Armut führt zu Einsamkeit»
Aus Radio SRF 1 vom 13.12.2019.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 34 Sekunden.

Bereits in der Kindheit hatte es Markus Christen nicht einfach: Er wuchs in einem Heim auf, Kontakt zu seinen Eltern hatte er nicht. «Ich habe nie gelernt, wie man sein Leben organisiert oder mit Geld umgeht», sagt er. Nachdem Christen seinen Job als Chauffeur verloren hatte, meldete er sich bei der Arbeitlosenkasse an, fand aber keine neue Anstellung. Nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit wurde er ausgesteuert, es folgten drei Jahre Sozialhilfe.

Audio
Ohne Job bist Du nichts - und weg von der Gesellschaft
aus Doppelpunkt vom 10.12.2019. Bild: SRF/Beatrice Gmünder
abspielen. Laufzeit 53 Minuten 31 Sekunden.

Armut führt zu Vereinsamung

Das Schlimmste an der Armut sei die soziale Ausgrenzung, sagt Christen. «Man kann halt nicht alles mitmachen, schämt sich und zieht sich zurück», erzählt Christen. «Gleichzeitig wenden sich die Leute auch von einem ab. Als ich kein Geld hatte, war nach einem halben Jahr die Hälfte meiner Freunde und Bekannten weg.» Diese Einsamkeit schlage auf die Psyche und auch auf die körperliche Gesundheit.

O du fröhliche?

Weihnachten sieht Christen mit gemischten Gefühlen entgegen. «Einerseits ist es schön, mir gefallen die Lichter und der Weihnachtsmarkt. Aber viele der Armutsbetroffenen trifft es noch stärker in dieser Zeit. Und die Konsumschlacht ist schon fast verwerflich.»

Aktion gegen Armut: «2 x Weihnachten»

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In der Schweiz leben über 8 Prozent der Bevölkerung in Armut. Sie müssen als Einzelperson mit weniger als 2259 Franken pro Monat auskommen, bei einer vierköpfigen Familie liegt die Armutsgrenze bei 3990 Franken.

«2 x Weihnachten» hilft ihnen – entweder direkt oder über Institutionen, die bedürftigen Menschen beistehen. Helfen Sie mit!

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