Zum Inhalt springen

Header

Audio
Mein Freund der Coronaskeptiker
Aus Input Story vom 31.03.2021.
abspielen. Laufzeit 29 Minuten 54 Sekunden.
Inhalt

Coronaskeptiker Hey mein Freund, see you nach der Pandemie

«Lasst die Schwachen doch sterben», hiess es in einer Nachricht von Brüni an die Redaktorin Beatrice Gmünder. Ihr alter Freund ist Coronaskeptiker und damit komplett anderer Ansicht. Was macht Corona mit ihrer Freundschaft, hält sie das aus? Nach einem Jahr Funkstille trifft sie Brüni wieder.

Podcast Input

Dem Leben in der Schweiz auf der Spur - der Podcast «Input» liefert jede Woche eine Reportage zu den Themen, die Euch bewegen.

Weitere Audios und Podcasts

Unsere Freundschaft: Brüni und ich kennen uns seit rund 20 Jahren. Er führte in St.Gallen eine Szenenbar, ich liebte diese Bar. Meist bis früh in die Morgenstunden hinein tanzend oder diskutierend mit Brüni. Was uns verbindet? Feiern, Essen, gute Musik und stets waren beide geplagt von Fernweh. Daraus ist eine Freundschaft gewachsen. Bis vor einem Jahr.

Lasst die Schwachen doch sterben.
Autor: SMS-Auszug von Brüni

Dann kam der Lockdown. Via Nachrichten fragten wir nach dem Befinden des anderen. Brüni schickte mir Videos mit umstrittenen Wissenschaftlern, stellt die Gefährlichkeit des Virus in Frage und schreibt weiter: «Lasst die Schwachen doch sterben». Dieser Satz erschütterte mich tief, sass sprachlos am Gartentisch, starrte auf mein Smartphone und antwortete dann: «Lass uns über etwas anderes reden. Wir sind mehr». Seither ist ein Jahr vergangen, ohne Kontakt.

Zur Autorin: Beatrice Gmünder

Box aufklappen Box zuklappen

SRF-Redaktorin Beatrice Gmünder produziert regelmässig Podcastfolgen für die Hintergrundsendung «Input» und ist unter anderem zuständig für diverse Podcastprojekte.

Für die aktuelle Sendung von «Input» traf sich Beatrice Gmünder mit einem alten Freund, der ein Coronaskeptiker ist.

Meine Haltung? Ich unterstütze die Schutzmassnahmen, vertraue der Wissenschaft und bin mir bewusst, dass man bezüglich Corona fast im Sekundentakt neue Erkenntnisse gewinnt. Das bringt Kursänderungen mit sich, die nehme ich hin.

Sind wir wirklich mehr?

Diese Frage stellte ich mir ein Jahr lang und verfolgte Brünis Timeline in den Social Media. Posts mit Musik-Clips oder Reisefotos wichen den Posts mit umstrittenen Corona-Experten. Diese wurden in den Kommentaren auch heftig diskutiert. Ich stieg nie mit ein. Aber ich merkte, Corona und der Umgang damit entfernte mich je länger je mehr von meinem Freund Brüni.

Ich kenne Meinungsverschiedenheiten unter Freunden, wenn es zum Beispiel um Abstimmungsvorlagen geht. Die können heftig ausfallen, schaden der Beziehung aber nicht. Was ist bei Corona-Diskussion anders?

Die Abstimmungsvorlage verpufft mit dem Urnengang. Die Pandemie hält an.
Autor: Peter Schneider Psychoanalytiker
Peter Schneider

Peter Schneider

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Peter Schneider ist 1957 in Deutschland geboren. Er studierte Philosophie, Germanistik und Psychologie. Heute lebt er in Zürich und arbeitet als Psychoanalytiker in einer eigenen Praxis.

Schneider ist Privatdozent für klinische Psychologie an der Universität Zürich sowie an der internationalen Universität für Psychoanalyse in Berlin. Ausserdem betätigt er sich als Satiriker und Kolumnist und ist Autor verschiedener Bücher.

Treffen nach einem Jahr Funkstille

Brüni und ich wollen das bei einem Spaziergang herausfinden. Wir treffen uns. Ich würde eine Umarmung bekommen, würde ich sie wollen. Stattdessen ziehe ich eine Maske an, während dem ich ihm das Mikrofon anstecke. Wir lachen über diese Situation. Ein wohltuendes Lachen, es fühlt sich so gewohnt an, wie immer.

Gut eine Stunde spazieren wir durch Wil (SG). Wir haben abgemacht, dass wir über unsere Beziehung sprechen werden. Wir haben versagt. Immer wieder landen wir bei Corona, Zahlen und anderer Handhabe der Massnahmen.

Diese Pandemie macht Freundschaften so schwierig, weil man Stellung beziehen muss.
Autor: Peter Schneider Psychoanalytiker

Beide werden emotional. Brüni kann meine Haltung besser verstehen als ich seine, bleibt entspannter. Ich unterstelle ihm Ignoranz. Wir sind uns einig, wir werden uns nie einig. So lange Corona unser Alltag bestimmt, wird es kein anderes Thema geben und somit auch uns nicht.

Trotzdem gehe ich an diesem Sonntag mit einer Erkenntnis weg von Wil. Das Gefühl beim Treffen stimmte, es war ein freundschaftliches Gefühl. Wir werden uns wieder als solche begegnen und uns wieder umarmen. Allerdings erst nach der Pandemie. Wie Psychoanalytiker Peter Schneider sagt, es gilt Stellung zu beziehen.

Der Satz «Lasst die Schwachen doch sterben» bleibt aber, welche Narben dieser hinterlassen wird, kann ich nicht sagen. Ich weiss nur, diese Freundschaft hält die Pandemie aus.

Hier finden Sie Hilfe in der Coronazeit

Box aufklappen Box zuklappen

Corona beschäftigt uns alle. Unten finden Sie eine Liste mit Hotlines und Ratgebern rund um Corona.

BAG Infoline Coronavirus: 058 463 00 00 (täglich 6 bis 23 Uhr)

BAG Infoline Corona-Impfung: 058 377 88 92 (täglich 6 bis 23 Uhr)

Dureschnufe: Plattform für psychische Gesundheit rund um das neue Coronavirus

Angst und Panikhilfe Schweiz, Hotline: 0848 801 109 (10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr)

Eltern-Notruf Schweiz, Hotline: 0848 35 45 55 (24x7)

Pro Juventute, Hotline für Kinder- und Jugendliche: 147 (24x7)

Schweizer Sorgen-Telefon: 143 (24x7)

Suchthilfe Schweiz: Hotline für Jugendliche im Lockdown 0800 104 104 (Di. bis Do. 9 bis 12 Uhr)

Branchenhilfe.ch: Ratgeberportal für Corona betroffene Wirtschaftszweige

Radio SRF 3, 31.3.2021, 15:00 Uhr

Meistgelesene Artikel