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Andrea Joss: «Die Landwirtschaft liebe ich von A bis Z»
Aus Audio SRF 1 vom 13.10.2020. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 37 Sekunden.
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Mediation auf dem Bauernhof Bäuerin: «Es gibt viel Krach, wenn eine Bauernfrau geht»

Andrea Joss weiss, wie es ist, als Bäuerin nach einer Scheidung alles zu verlieren. Heute ist sie Mediatorin und hilft bei Hofkonflikten. Als Mediatorin müsse man selbst aus der Landwirtschaft kommen. Denn auf dem Hof herrscht eine raue Sprache.

Andrea Joss

Andrea Joss

Bäuerin und Mediatorin

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Andrea Joss war 15 Jahre lang Bäuerin. Nach der Scheidung zog sie vom Land in die Stadt und liess sich zur Mediatorin ausbilden. Heute berät sie Bäuerinnen und Bauern in Konflikten. Nach dem plötzlichen Tod ihres Ex-Mannes haben ihre Kinder den Bauernhof geerbt. Seit einem Jahr ist Andrea Joss Pächterin des Hofs. Neben ihrer Arbeit als Mediatorin und Bäuerin absolviert sie eine landwirtschaftliche Weiterbildung.

SRF: Andrea Joss, Sie haben erlebt, wie hart eine Scheidung und das Leben danach sein können. Wie ging es Ihnen damals?

Andrea Joss: Das war eine schwierige Zeit für mich. Ich hatte nichts mehr. Ich konnte nicht aufs RAV, da ich als Bäuerin selbständig war. Ich musste dann mit meinen drei Kindern in eine Stadtwohnung ziehen.

Ich konnte nicht aufs RAV, da ich als Bäuerin selbständig war.
Autor: Andrea Joss Bäuerin und Mediatorin

Ich habe von meinem Ex-Mann Alimente bekommen, mit denen ich durchkommen musste. Mit Gelegenheitsjobs bin ich dann aus dieser misslichen Lage herausgekommen.

Heute sind Sie Mediatorin für Hofkonflikte. Wie ist es dazu gekommen?

Ich habe gemerkt, dass in der Landwirtschaft sehr wenig gesprochen wird. Vielfach hat man keine Zeit, Dinge ausführlich zu besprechen. Ich selbst habe erfahren, wie schlimm es ist, wenn man als Frau geht. Wenn eine Bauernfrau geht, gibt es meistens viel Krach und es wird teuer, wenn der Anwalt kommen muss. Ich habe gedacht, dass es noch einen anderen Weg geben muss.

Wie funktioniert eine Mediation genau?

Eine Mediation kann viel retten. Das Paar setzt sich mit einer Fachperson an einen Tisch und redet über die Probleme. So geht es viel weniger heftig zu und her.

Viele Leute kommen erst, wenn die Situation bereits eskaliert ist.
Autor: Andrea Joss Bäuerin und Mediatorin

Konflikte können gelöst werden und es kommt gar nicht erst zu einer Scheidung. Leider fehlt oftmals der Mut dazu, eine Mediatorin zu konsultieren. Viele Leute kommen erst, wenn die Situation bereits eskaliert ist. Dann ist es meist schwierig, den Konflikt zu lösen.

Welche Herausforderungen gibt es?

Als Mediatorin oder Mediator muss man aus der Landwirtschaft kommen, damit man Hofkonflikte nachvollziehen kann. Alles andere ergibt keinen Sinn. Erstens wird auf dem Bauernhof anders geredet. Die Sprache ist viel rauer. Zweitens wird viel weniger geredet.

Was ist der häufigste Grund für einen Konflikt?

Bei den meisten Mediationen geht es um Hofübernahmen. Eine Frau, die nicht auf einem Hof aufgewachsen ist, weiss in der Regel nicht, wie das genau funktioniert. Wenn das Paar nicht miteinander redet, entstehen Missverständnisse.

Finanzielle Situation der Bäuerinnen in der Schweiz

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Rund 70 Prozent der Bäuerinnen erhalten keinen Lohn. Gemäss den Zahlen des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV), sind das etwa 30'000 Frauen. Selten haben Bäuerinnen eine private Vorsorge. Sie bekommen meist tiefe Sozialversicherungsleistungen und sie haben kein Recht auf eine Mutterschaftsversicherung. Viele Landfrauen sind daher sozial schlecht oder gar nicht abgesichert.

Nehmen Sie besonders schwierige Fälle manchmal mit?

Es gibt Hofkonflikte, die mir unter die Haut gehen. Manchmal denke ich auch noch zu Hause darüber nach. Zum Abschalten gehe ich dann am liebsten in die Natur. Ich gehe nach draussen, um zu Mähen oder ich bin bei den Kühen. Es hilft mir auch, mit meinem Partner darüber zu sprechen.

Das Gespräch führte Lisa Wickart.

Radio SRF 1, Morgengast am 14. Oktober 2020, 7:20 Uhr;

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