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Keine soziale Absicherung Auch die Bäuerinnen stellen Forderungen

Frauen, die in der Landwirtschaft tätig sind, sollen sozial besser abgesichert werden. In der Schweiz und weltweit. Dafür spannt der Schweizer Bäuerinnen- und Landfrauenverband mit Swissaid zusammen.

Die Situation der Frauen in der Schweiz ist in Hinblick auf den Frauenstreik-Tag in aller Munde. Dabei geht eine Gruppe oft unter: Die Bäuerinnen. Noch immer erhalten zwei Drittel von ihnen keinen Lohn – mit fatalen Folgen für ihre Altersvorsorge.

Eine Pensionskasse haben sie nicht, eine Rente aus der 2. Säule also auch nicht. Über 31'000 Frauen sind somit sozial schlecht oder gar nicht abgesichert.

Existenzängste nach einer Trennung

Zum Beispiel Andrea Joss: 15 Jahre schuftete sie auf dem Hof ihres Ex-Mannes. Sie hatte weder Lohn, noch eine soziale Absicherung. Bei der Trennung kamen die Fragen: «Wie werde ich leben? Werde ich einen Job finden.»

Sozialhilfe konnte sie nicht beziehen. Das war klar als selbständig Erwerbende. «Ich war am Ende. Voller Trauer und Angst», blickt sie auf diese Zeit zurück.

Am bäuerlichen Sorgentelefon rufen Bäuerinnen denn auch am häufigsten wegen Ehekonflikten und Trennung an. Denn die finanziellen Folgen sind gravierend.

Wie ist das heute noch möglich?

Anne Challandes kämpft für die Rechte der Bäuerinnen. Ihre Situation findet sie unhaltbar. Die Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) sagt: «Ich bin traurig.» Manchmal sei sie auch ein wenig genervt. «Das kann jetzt nicht noch passieren.»

Mit einer Kundgebung vor dem Bundeshaus hat der SLBV zusammen mit der Entwicklungshilfeorganisation Swissaid auf den Missstand hingewiesen.

Der Bäuerinnen-Appell

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Legende: Keystone

Die Themen soziale Sicherheit, politische Repräsentation und die Verbesserung der rechtlichen Situation der Bäuerinnen in der Schweiz und weltweit sind laut SLBV und Swissaid miteinander verknüpft. Bäuerinnen seien für 70 Prozent der Welternährung verantwortlich. Die ungenügende soziale Anerkennung sei ein gravierender Missstand, der in der Schweiz und weltweit behoben werden müsse.

Die beiden Organisationen haben deshalb mit einer Aktion vor dem Bundeshaus den Bäuerinnen-Appell verbreitet. Darin fordern sie von Bundesrat und Parlament die gesetzliche Verankerung der sozialen Absicherung für Bäuerinnen in der Agrarpolitik sowie die Förderung der Mitbestimmung der Frauen in der Politik und in bäuerlichen Organisationen.

Ein erster Schritt

Die Not der Bäuerinnen hat auch der Bundesrat erkannt. Mit der Agrarpolitik 22+ sollen Vorsorge und Versicherung gegen Verdienstausfall für mitarbeitende Ehegatten obligatorisch werden. Ansonsten droht eine Kürzung der Direktzahlungen.

Das sei ein guter erster Schritt, sagt Challandes. Aber: «Die optimalere Lösung wäre, das Einkommen zu teilen, wenn der Ehepartner oder die Frau auf dem Bauernhof arbeiten.»

Einen eigenen Lohn hat heute – acht Jahre nach der Trennung – auch Andrea Joss. Sie arbeitet als Buchhalterin und als selbständige Mediatorin für Bauernfamilien: «Ich bin sehr glücklich. Ich habe sehr viel Freude an meiner Selbständigkeit.»

Joss hat durch ihre Krise ein neues Leben gewonnen, mit eigenem Geld, sozialversichert und mit neuen Perspektiven.

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