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Corona verändert die Sprache Das Virus wird männlicher

Corona hat Bewegung in die Alltagssprache gebracht. Von «Übersterblichkeit» bis «Maskne» (Akne unter der Maske) sind uns heute Wörter geläufig, die es im Frühling noch gar nicht gab oder die nur Fachleute kannten. Wir haben die Veränderungen in der Sprache mit einem Forschungsteam untersucht.

Das Team um den Linguisten Adrian Leemann von der Universität Bern wollte es genauer wissen, das mit dem grammatischen Geschlecht des Virus und mit der Aussprache von «Quarantäne». Eine gemeinsam mit SRF lancierte Umfrage lässt interessante Schlüsse auf diese Sprachvarianten ziehen.

Die Studie

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Mitwirkende

Adrian Leemann, Péter Jeszenszky, Carina Steiner, Melanie Studerus, Jan Messerli – Center for the Study of Language and Society, Universität Bern (www.sdats.ch)

Methodik

An der Umfrage haben rund 700 Personen teilgenommen (Durschnittsalter 44 Jahre; 62% Frauen und 32% Männer). Die Auswertung wurde für folgende Grossraumregionen erstellt: Je einzeln die Kantone Bern, Zürich, Aargau, Graubünden sowie Wallis und Freiburg; die Regionen Zentralschweiz, Nordwestschweiz und Nordostschweiz.

Fallstricke

Die Stichprobe ist nicht repräsentativ, da diese in Bezug auf die Regionen stark verzerrt ist. Regionen mit urbanen Zentren sind deutlich überrepräsentiert (50% der Daten stammen aus den Kantonen Zürich und Bern). Dagegen sind ländliche Regionen untervertreten (nur je 3% der Daten stammen aus der Region Freiburg/Wallis und der Region Graubünden). Die statistischen Schätzungen sind für Regionen mit sehr wenigen TeilnehmerInnen dementsprechend unsicher.

Der oder das Virus? - Kommt drauf an!

Ursprünglich stammt das Wort «Virus» aus der medizinischen Fachsprache und ist sächlich. Auch in der Umfrage bevorzugen rund zwei Drittel der Teilnehmenden «das Virus».

Infografik Resultat Grafik
Legende: Verteilung von «der» und «das» Virus im Schweizerdeutschen. Center for the study of Language and Society University of Bern

Die Auswertung der Umfrage zeigt aber: Je jünger die Teilnehmenden, desto höher der Anteil derer, die «der Virus» sagen.

Woher kommt diese offenbar fortschreitende «Vermännlichung»?

Eine Hypothese: Vielleicht wird «Virus» von ähnlichen Wörtern wie «Alpinismus», «Luxus» oder «Zirkus» infiziert. Wörter mit der Endung -us sind im Deutschen nämlich fast immer männlich. Eine Analogiebildung also?

Interessant auch, dass «Virus» als Krankheitsserreger zwar sächlich, bei «Computervirus» aber überwiegend männlich ist. Das grammatische Geschlecht scheint zwischen Medizin und EDV zu unterscheiden.

Vielleicht überträgt sich also die Männlichkeit des Virus vom Computer über die Jugend allmählich auf den Krankheitserreger.

«Le covid» oder «la covid»?

In Frankreich wurde diese Debatte über das korrekte Geschlecht schon im Frühling geführt. Die Académie Française wollte «la covid» vorschreiben, kam aber zu spät: «Le covid» hatte sich bereits durchgesetzt, übrigens auch in der Romandie. Vielleicht ist deshalb auch in den deutschsprechenden Gebieten des Wallis und Freiburgs, direkt an der Sprachgrenze, «der Virus» die häufigere Variante (vgl. Karte).

«Garantäne», «Kcharantäne» oder «Kchwarantäne»?

Farbiger ist das Bild bei der Aussprache von «Quarantäne» (vgl. Karte). Die vier Varianten «Garantäne», «Kcharantäne», «Kchuarantäne» und «Kchwarantäne» kommen in allen acht Grossregionen der Deutschschweiz vor, aber jeweils mit verschiedenen Vorlieben.

Infografik Resultat
Legende: Verteilung der verschiedenen Aussprachen von «Quarantäne» im Schweizerdeutschen. Center for the study of Language and Society University of Bern

Die Nordwestschweiz bevorzugt die ältere Aussprache «Garantäne». Das Wort ist zwar ursprünglich italienisch, aber aus dem Französischen ins Deutsche gekommen, und «Garantäne» entspricht der französischen Aussprache. Auch hier ist es vielleicht nicht zufällig, dass alle Kantone an der Sprachgrenze hohe Anteile dieser französischen Aussprache haben.

Demgegenüber favorisiert die Nordostschweiz, traditionell offener gegenüber sprachlichen Einflüssen aus Deutschland, die bundesdeutsche Lautung «Kcharantäne». Die Zentralschweiz, Bern, Zürich und Graubünden bevorzugen «eigene» Varianten, nämlich eine vom Schriftbild motivierte und anderen Wörtern wie «Quartier» oder «Qualität» angeglichene Aussprache mit «kchua-» oder «kchwa-».

Diese Erkenntnisse helfen wenig gegen die Pandemie. Aber sie helfen gegen die sprachliche Verunsicherung, denn sie zeigen, dass es kein «richtig» und «falsch» gibt. Es gibt Varianten, von denen jede ihre eigene Geschichte hat.

Was sind Ihre Beobachtungen? Was fällt Ihnen auf?

Hat Corona auch Ihre Sprache verändert? Welche Begriffe haben Sie in den letzten Monaten dazugelernt? Schreiben Sie es in die Kommentare.

Podcast Dini Mundart

Nadia Zollinger und Markus Gasser streiten über die schönste Sprache der Welt. Easy heftig. Deine Fragen an mundart@srf.ch.

Weitere Audios und Podcasts

Radio SRF 1, Freitag 20.11.20, 6:40 Uhr

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