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«Das ist eine Enttäuschungsmaschine!»
Aus Doppelpunkt vom 29.01.2019. Bild: SRF / Stefan Wüthrich
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Online-Partnersuche Der steile Weg zur Wolke 7

Auch wenn die «Verlieb-Industrie» etwas anderes verspricht: Die grosse Liebe ist meist weiter als einen Klick entfernt.

Nach vier erfolglosen Jahren hat Elena (46) aus Bern ihr Parship-Abo gekündigt. Heute sagt sie: «Das ist eine Enttäuschungsmaschine». Auch Claire (65) aus dem Raum Zürich ist seit mehr als zehn Jahren online auf Partnersuche. Ebenfalls ohne Erfolg: «Das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt nicht», sagt sie. Und trotzdem komme sie immer wieder zurück: «Ich lerne im Alltag einfach niemanden kennen.»

Viele «enttäuschte, verletzte, kaputte Leute»

Elena und Claire sind keine Einzelfälle. Olivier Voirol ist Soziologe an der Universität Lausanne. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Online-Partnersuche und stellt fest, dass diese Industrie «viele enttäuschte, verletzte, kaputte Leute» zurücklässt. Die Plattformen und Apps lebten von Hoffnungen und bedienten diese auch in der Werbung. «Die Industrie ist aber nicht in der Lage, diese Hoffnungen zu erfüllen.»

Das «Alle-elf-Minuten-Versprechen»

Die Partnervermittler und Dating-Portale zeichnen gerne ein anderes Bild. Die wohl bekannteste Plattform Parship etwa wirbt damit, dass sich alle elf Minuten jemand über Parship verliebe. Ein Versprechen, das von deutschen Wirtschaftsforschern auch schon als «Unstatistik des Monats» ausgezeichnet wurde. Die Chance, dass sich ein Mitglied bei Parship verliebe, liege pro Jahr bei «kaum mehr als zwei Prozent».

Zwei Drittel zahlen die Jahresgebühr umsonst

Platzhirsch Parship sagt weiter, seine Erfolgsquote liege bei 38 Prozent. Also rund jedes dritte Mitglied soll über Parship einen Partner finden. Diese Quote gibt das Unternehmen für zahlende Mitglieder an. Das Total dieser zahlenden Mitglieder bleibt jedoch geheim. Hinzu kommt: Eine solche Mitgliedschaft kostet mehr als 600 Franken pro Jahr. Zwei Drittel bezahlen diesen Betrag folglich umsonst. Parship bezeichnet die Erfolgsquote von 38 Prozent dennoch als «wirklich schöne Zahl».

Dass Leute jahrelang allein bleiben und die grosse Liebe nicht finden, ist indes nichts Neues. «Das gab es auch schon ohne Dating-Plattformen», sagt der Aargauer Paarberater Peter Michalik. «Es gibt Menschen, die es einfach schwierig haben, einen Partner zu finden. Das kann viele Gründe haben. Zu sagen, dass diese Internet-Plattformen daran Schuld sind, wäre sicher falsch.»

Alles nur Fleissarbeit?

Die 46-jährige Elena hat sich oft gefragt, weshalb es bei ihr auf Parship nicht geklappt hat. Sie hatte ein vollständiges Profil, hatte sich auch mit Männern getroffen. Im Forum warf man ihr an den Kopf, sie sei zu wenig fleissig gewesen. «Die Leute stellten Berechnungen auf, wie viele Männer man ansprechen muss, um auch nur ein Date zu bekommen. Damit wird Partnersuche zur Fleissarbeit.»

Auch Claire kennt diese Berechnungen. Aber dass sie zu wenig fleissig gewesen wäre, kann man ihr nicht vorwerfen: «Es gab eine Zeit, da hatte ich alle zwei Wochen ein Date», erzählt sie. Der Richtige war nie dabei. Heute kann sie damit umgehen. Sie gehe beispielsweise nicht mehr mit Vorfreude an ein Treffen. «Das hat sehr viel mit Selbstschutz zu tun.» Denn das ewige Auf und Ab der Gefühle zehre auf Dauer an einem. Dass Online-Dating funktionieren kann, glaubt Claire sehr wohl. «Aber es ist zermürbend.»

SRF 1, Doppelpunkt vom 29.1.2019, 20:00

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