Die 19-jährige Gracia kam mit 13 Jahren aus dem Kongo in die Schweiz, wo ihr Vater schon lange lebte. Die Familie stellte einen Antrag auf Familiennachzug. Er wurde abgelehnt. Gracia blieb trotzdem hier. Illegal.
Bewusst war ihr dies jedoch nicht. «Ich wusste gar nicht, dass es illegale Menschen gibt», erzählt sie. Erst mit der Zeit begriff sie, dass es zwischen ihr und ihren Schulkameraden einen bedeutenden Unterschied gab.
Im Sommerlager konnten wir nicht ins Ausland reisen, weil ich Sans-Papier war. Da realisierte ich es zum ersten Mal.
Keine Ahnung, dass sie illegal in der Schweiz ist, hat die 9-jährige Tochter von Maria (Name geändert). Die Frau aus Südamerika arbeitet schwarz als Babysitterin. Sie lebt mit ihrer Tochter bei einer Freundin, die eine Aufenthaltsbewilligung hat. Zu dritt teilen sie sich eine 1,5-Zimmerwohnung in der Stadt Zürich.
Ihre Tochter merke schon, dass etwas nicht normal sei, erzählt die 38-Jährige mit leiser Stimme. So frage sie regelmässig, warum sie nicht in einem Haus lebten, warum sie nicht wie andere Kinder Ferien in Paris oder Italien machen könnten. Beim Thema kommen der schüchteren Frau die Tränen.
Eines Tages werde sie es ihr erzählen, doch vorerst soll ihre Tochter unbeschwert aufwachsen. Ausserdem sei sie sehr gesprächig. Die Mutter hat Angst, dass sich ihre Tochter verplappern könnte.
Der 13-jährige Lukas dagegen, wurde von seinen Eltern aufgeklärt. Er weiss, dass er ein Sans-Papiers ist. Geboren ist er in Italien, die Eltern kommen aus Ecuador.
Auch wenn er illegal hier sei, sehe er eigentlich keinen Unterschied zwischen seinen Schul- und Spielkameraden und sich, sagt er. Was er bemerkt, sind die Sorgen der Eltern. Beispielsweise, wenn andere Kinder ihn auf seinen Aufenthaltsstatus ansprechen. Für diesen Fall gibt es klare Verhaltensanweisungen von seinen Eltern.
Wenn mich jemand fragt, ob ich illegal hier bin sage ich: Ich weiss es nicht, frag meine Eltern.
Lukas' Vater ist überzeugt, dass es der richtige Schritt war in die Schweiz zu kommen. Hier hätten seine Kinder eine Zukunft. Tatsächlich können Sans-Papiers-Kinder die Schule besuchen. Doch danach wird es kompliziert.
Gracia hat das erlebt. Als Sans-Papiers-Kind durfte sie zwar zur Schule, doch eine Lehrstelle war trotz guter Noten unerreichbar. Schwer zu akzeptieren für den motivierten Teenager aus dem Kongo.
Andere Kinder hingen nur am Bahnhof rum. Ich wollte etwas erreichen und bekam vom Migrationsamt immer nur 'Nein' zu hören.
Nein sagten Migrationsamt und später alle Gerichtsinstanzen zum ursprünglichen Gesuch ihres Vaters auf Familiennachzug. Später wurde auch ein Härtefallgesuch abgelehnt, Gracia musste zwischenzeitlich jeden Moment damit rechnen, dass die Polizei bei ihr vorbeikam.
Am Ende klappte es doch noch. Mit einem speziellen Härtefallgesuch für Jugendliche, damit diese in der Schweiz eine Ausbildung machen können. Gracia macht nun eine Lehre in einem Pflegheim, lebt in einer kleinen Wohnung und schmiedet Zukunftspläne. Ihre Zukunft sieht sie klar in der Schweiz. Und tatsächlich stehen die Chancen gut, dass sie langfristig hier bleiben kann.
So weit ist Lukas noch nicht. Er geht noch in die Sekundarschule in einer grossen Vorortsgemeinde von Zürich. Und er träumt davon, Architekt oder Fussballer zu werden. Sein Vater hofft, dass Lukas und seine Geschwister ihre Träume hier verwirklichen können, dass sie einmal legal in der Schweiz leben können.
Legal mit der Tochter in der Schweiz zu leben, das ist auch der Traum von Maria, der alleinerziehenden Mutter aus Südamerika. Bis es soweit ist, geht ihre Tochter normal zur Schule oder spielt mit anderen Kindern im Quartier. Ohne dass jemand ahnt, dass sie offiziell gar nicht hier ist.