Sein Leben begann mit einem Paar geklauten Fussballschuhen und gipfelte in der angedrohten Verwahrung. Der SRF Podcast über Edi , einen notorischen Verbrecher, der seinen Platz in der Gesellschaft sucht, wirft grundsätzliche Fragen auf. Was macht einen Menschen zum Verbrecher? Ist dies vorbestimmt?
Wir haben diese schwierigen Fragen einem Neuropsychologen, einer Kriminologin, einem Gerichtspsychiater und einem Juristen gestellt. Sie alle winken erst einmal alle vehement ab, wenn sie mit der Behauptung konfrontiert werden, dass man bereits zum Verbrecher geboren wird.
Dem Verbrecher-Gen auf der Spur
Diese Idee, welche die Nazis noch intensiv verfolgten, sei überholt, sei Schnee von gestern. Zwar gab es auch in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Forscher, die dem Verbrecher-Gen auf der Spur waren, oder die bei Häftlingen Gemeinsamkeiten in der Hirnstruktur suchten. Aber man könne nicht sagen, dass bestimmte biologische Merkmale sicher dazu führten, dass jemand einmal gegen das Gesetz verstösst.
Neuropsychologe Thomas Elbert betont, dass unter bestimmten Umständen jeder zum Verbrecher werden könne.
Zwar gebe es genetische Ausstattung, die es wahrscheinlicher mache, dass jemand asozial wird, Grenzen überschreite und damit Verbrechen begehe, aber es gehe dabei immer um sehr geringe Wahrscheinlichkeiten.
Der Einfluss der Umwelt ist viel grösser als der Einfluss der Genetik.
Bei der Messbarkeit von biologischen Faktoren stelle sich auch die Frage, was man mit der allfälligen Information machen möchte, dass jemand ein hohes Risiko habe, wieder straffällig zu werden. Die Gesellschaft müsste seiner Meinung nach die ethische Diskussion führen: «Was wollen wir über den Menschen alles wissen?»
Statistisch nicht zum Verbrecher geboren
Zum Verbrecher geboren, das werden in den Augen der befragten Experten nur ganz wenige Ausnahmefälle – Menschen die mit einem Hirndefekt geboren werden zum Beispiel. Statistisch gesehen werde man nicht zum Verbrecher geboren, betont die Kriminologin Henriette Haas.
Der Blick in die Statistik zeigt weiter, dass die meisten Straftäter jung und männlich sind. Die meisten Verurteilten sind im Alter von 20-22 Jahren. Danach nimmt das kriminelle Verhalten ab, die Verbrecher beruhigen sich. Haas erklärt dies damit, dass einerseits das Testosteron zurück gehe. Andererseits merkten die Täter meist nach ersten rechtlichen Konsequenzen, dass sich ihr Lebensstil nicht lohnt.
Haas erklärt, dass die Wissenschaft Verbrecher in drei grobe Kategorien unterteile.
- Nicht-Täter , die nie mit dem Gesetz in Konflikt kommen
- Gelegenheitstäter , die aus Neugierde, Gruppendynamik oder Notlage ein oder wenige Male ein Delikt begehen
- Intensivtäter , die immer wieder straffällig werden und meist auch verschiedene Arten von Straftaten begehen.
Intensivtäter wollen den schnellen Gewinn, wollen im Leben die Abkürzungen nehmen.
Intensivtäter sind häufig bereits in der Kindheit auffällig und sie hätten häufig ein verzerrtes Bild der Realität, glaubten, man könne innerhalb von einem halben Jahr reich werden.
Ob jemand kriminell wird, hängt laut der Kriminologin und Professorin forensischen Psychologie von einer komplexen Kombination verschiedenster Faktoren ab. Diese Kombination sei jeweils erst im Nachhinein erkennbar, sie warnt vor Vorverurteilungen.
Tat nicht vorhersehbar
Prognosen seien nicht möglich, betont auch Josef Sachs. Der forensische Psychiater erstellt für Gerichte Gutachten und therapiert Verbrecher. Rückblickend denke man jeweils, man hätte eine Tat vorhersehen können, dies sei jedoch nicht möglich.
Für Sachs sind bestimmte Anlagen, die jemand von Geburt an mitbringt, wichtige Risikofaktoren, beispielsweise Impulsivität, Risikobereitschaft oder eine mangelnde Empathiefähigkeit. Diese Eigenschaften könnten jedoch auch für Positives genutzt werden.
Eine impulsive, reizhungrige Person kann statt Verbrecher auch Spitzensportler werden, oder Manager.
Neben den genetischen Veranlagungen spielen laut Sachs auch frühkindliche Erfahrungen eine grosse Rolle. Dabei spielen Beziehungen eine grosse Rolle, oder Traumata wie beispielsweise Verwahrlosung. Dazu kommen weitere Umwelteinflüsse.
Doch was sind Alarmzeichen bei einem Kind? Was sind erste Anzeichen, die auf eine spätere Verbrecher-Karriere hindeuten? Die besten Prognostikerinnen seien Kindergärtnerinnen, so Sachs. Kinder die sich früh auffällig verhalten, die stehlen, wiederholt davonlaufen oder rauchen, die kurz gesagt zu Verhalten zeigten, das man sonst erst in er Pubertät sieht, seien eher gefährdet so Sachs.
Staat hat auch Verantwortung
Joachim Stucki hat jahrelange Erfahrung mit jugendlichen Straftätern. 33 Jahre lang war der 79-jährige Jugendanwalt in Winterthur. Er teilt Sachs Einschätzungen, dass das frühe Beziehungs-Umfeld entscheidend sei.
Bei jugendlichen Wiederholungstätern habe auch der Staat eine grosse Verantwortung. Je nach Massnahme könne dies eine Fehlentwicklung bestätigen oder dazu führen, dass sich ein Jugendlicher wieder findet und nicht mehr gegen das Gesetz verstösst. Die Jugendstrafbehörden der Schweiz könnten viel Einfluss nehmen, aber es gebe natürlich auch hoffnungslose Fälle.