Sei es als Fussgänger, Automobilistin oder mit dem Velo. Wie wir uns im Verkehr zu verhalten haben, glauben wir zu wissen. Wenn aber plötzlich neue farbige Elemente auftauchen, sorgt das für Diskussionen.
«Bunte Verwirrung auf der Strasse», titelte kürzlich die «Automobil Revue». «Gilt hier ‹dr Schnäller isch dr Gschwinder›?», fragte man sich in der «Aargauer Zeitung». Immerhin: Die «Berner Zeitung» wusste Bescheid: «Freundliche Punkte sollen Autofahrer bremsen.»
Täuscht der Eindruck oder gibt es tatsächlich immer mehr Formen und Farben im Strassenraum?
Individuelle Strassenraumgestaltung
«Die Beobachtung stimmt», sagt Patrick Eberling, Leiter der Abteilung Verkehrstechnik bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU). «Der Wildwuchs nimmt zu.» Dabei ist er vor rund 20 Jahren eigentlich angetreten, genau diesem Wildwuchs Einhalt zu gebieten.
Was bedeuten die Farben?
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Es muss zwischen Markierungen und Gestaltungen unterschieden werden. Erstere haben eine rechtliche Bedeutung, letztere nicht.
Die Markierungsfarben sind:
Weiss: Die Farbe ist für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer verpflichtend. Beispiele sind Sicherheitslinien oder die Haifischzähne.
Gelb: Gelb ist die Farbe des Langsamverkehrs und des ÖV’s. Typische Beispiele sind der Zebrastreifen, der Radstreifen oder die Zickzacklinie bei Bushaltestellen.
Blau: Am bekanntesten ist wohl die Verwendung in der blauen Zone. Auch blau ist eine Markierungsfarbe.
Gelb-Orange: Diese Farbe wird für temporäre Markierungen verwendet, die bei Baustellen die Geltung der bestehenden weissen Markierungen aufhebt.
Gestaltungsfarben:
Welche Farbtöne empfohlen werden, steht in einer Norm des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) für die farbliche Gestaltung von Strassenoberflächen. Zulässig sind rund 100 Farbtöne von grün, über grau, braun, bis zu rot und violetten Farbtönen.
«Diese Farben sollten so gewählt werden, dass sie eine Einheit mit den Umgebungsfarben bilden, mit Fassaden und Natur korrespondieren», so Patrick Eberling. «Es geht ja darum, dass die Strasse das Erscheinungsbild der Umgebung nicht kaputt machen soll.»
Seit 2008 gibt es in der Schweiz eine Norm für die farbliche Gestaltung von Strassenoberflächen (FGSO), auf die man sich stützen kann. Eberling war der Präsident der Kommission, die diese entwickelte. Zuvor habe jeder Kanton gemalt, wie er wollte.
«Mit dem Farbeinsatz ist es möglich, die Gestaltung der Hausfassaden auch auf der Strasse abzubilden», so Eberling. Schöne Ortsbilder sollen nicht in zwei Hälften durchschnitten werden.
«Schweizer Ortsbilder sind allerdings sehr individuell.» Und so kommt es, dass Mehrzweckstreifen in Zürich rötlich, in Gossau pink gepunktet und in Thun in Form einer blauen Welle daherkommen.
Auch bestehe bei der Interpretierung der Norm ein Spielraum. Es ist eine Norm, kein Gesetz, und darum auch nicht verpflichtend.
Macht Farbe eine Strasse sicherer?
Farbe könne im Strassenraum ein Sicherheitsaspekt sein. Eberling gibt aber zu Bedenken: «Sie ist eine gestalterische Massnahme. Sie schafft nicht direkt Sicherheit.»
Farbige Strassen in Zürich
«Wer die Normen befolgt, kann das Sicherheitsniveau halten, in der Regel aber nicht verbessern.» Gegenüber dem Ursprungszustand dürfe sich die Sicherheit aber nicht verschlechtern. Farbe dürfe nicht verwirren. Gewisse Leute würden sich aber vermutlich verwirklichen wollen, so der Experte.
Er erinnert sich an eine Ostschweizer Gemeinde. Diese habe ihre Strasse mit einem schrägen Schachbrettmuster versehen. Fälschlicherweise seien Personen danach diesen Linien gefolgt und im Busbahnhof gelandet.
Eine andere Gemeinde in der Zentralschweiz habe Tempo 30 eingeführt. Die Zebrastreifen habe sie aber nicht entfernt, sondern mit grüner Farbe überpinselt. Die Leute verstanden das nicht: «Habe ich jetzt noch mehr Vortritt als früher?»
Wann darf Farbe eingesetzt werden?
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Gemäss der Norm dürfen nur diese drei Arten einer farblichen Gestaltung der Strassenoberfläche angewandt werden. Allesamt haben sie keine rechtliche Bedeutung.
Grossflächige Einfärbung: Es ist dies eine Einfärbung mit maximal zwei Farben quer über die ganze Fahrbahn. Sie muss mindestens 3x so lang sein, wie die Strasse von Trottoir zu Trottoir breit ist. So ist sie mit Sicherheit flächiger als ein Fussgängerstreifen.
Mehrzweckstreifen: Dieser befindet sich in der Mitte der Fahrbahn. Auch er darf mit maximal zwei Farben ausgefüllt werden.
Breite Bänder am Fahrbahnrand: Diese darf man mit maximal einer Farbe machen.
Solche Fälle sind nun in der Norm reglementiert. «Es darf nicht sein, dass eine Gestaltung als Verkehrsrecht interpretiert wird.»
Ist der Farbeinsatz sinnvoll?
Trotz allem findet Patrick Eberling den Farbeinsatz eine gute Sache. «Zum Aufwerten einer Strassengestaltung macht es Sinn. Im Optimalfall verhalten sich die Leute sogar aufmerksamer, auch wenn keine Verpflichtung in der Farbe steckt.»
Farbige Strassen in Bern
Ein vorbildliches Beispiel sei Montbovon (FR): «Beim Bahnhof hat man mit grau und schwarz eine grossflächige Gestaltung gemacht. Die Dorfstrasse wirkt fast wie ein Platz.» Kaum jemand rase durch dieses Dorf.
Gemäss Eberling soll die farbliche Gestaltung unbedingt angewendet werden. «Nur der Befolgungsgrad der Normen dürfte noch etwas grösser sein.» Auch wenn die Kreativität nicht ganz so verwirrend ist wie im nahen Ausland.
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