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Tessiner Kultur Die Sehnsucht nach dem Rustico

Sonne unter Palmen, blaue Seen, Ferien im eigenen Rustico, abseits der Touristenströme in einem Tessiner Tal, Rotwein am steinernen Tisch im Kastanienwald. Diese und noch viele andere Bilder sind Teil der Sehnsucht nach dem Tessin, nach dem Süden.

Ein Rustico ist ein Haus aus Stein, mit einem Dach aus Steinplatten, mit Holzbalken und Holzböden. Ursprünglich wurden die einen als Ställe genutzt und die anderen als Wohnhäuser. Es gab auch Rustici, in denen oben gewohnt wurde und unten der Stall eingerichtet war.

Als Ferienhaus entdeckt wurde das Rustico im Tessin vor dem Zweiten Weltkrieg. Eine zweite Boomphase erlebte das Rustico nach dem Zweiten Weltkrieg und eine dritte Phase in den 70er-Jahren. Waren durchschnittliche Rustici früher für wenige tausend Franken zu haben, haben sie heute ein Vielfaches an Wert; auch in baufälligem Zustand.

Wenn Träume wahr werden

Rusticobesitzende zeichnen sich dadurch aus, dass sie lustvoll und mit viel Aufwand hinter die Renovation ihres Rustico gehen. Es gibt jahrzehntealte Renovationsbiografien hinter mitunter unscheinbaren Rustici, die Teil von Familienbiografien werden. Erwachsene erzählen im Rückblick, wie sie als Familie jahrelang eigentliche Renovationsferien gemacht hatten.

Im Umbauen und Renovieren eines Rustico zeigt sich auch der Wunsch, selbstbestimmt einen Teil dieser Welt mitzugestalten, ohne dass einem jemand dreinredet. Diese temporäre Selbstverwirklichung im südlichen Ambiente gehört mit zur Sehnsucht nach dem Tessin.

Das Bild des Tessin als Sehnsuchtsort

Das Bild des Tessin ist geprägt durch eigenes Erleben und durch Bilder, die Tourismusorganisationen verbreiten. In den Boomjahren der 70er-Jahre, in denen viele Deutschschweizer Rustici kauften und zu Ferienhäusern umbauten, trug auch die Bestsellerautorin Kathrin Rüegg viel zu dieser Sehnsucht nach dem Tessin bei.

Kathrin Rüegg, umgeben von Angestellter Susi und zahlreichen Haus- und Nutztieren.
Legende: Bestsellerautorin Kathrin Rüegg (1930-2011); Aufnahme von 1978 Schafe, Katzen, Hühner, Gänse und Hasen waren wichtiger Teil im Alltag von Gerra. Im Hintergrund: Angestellte Susi. Keystone / STR

Sie galt als Aussteigerin, die sich im Verzascatal eine neue Existenz als Kleinbäuerin – zurück zu Natur und Handwerk und im eigenen Rustico – aufgebaut hatte. Ihre Bücher und Fernsehsendungen wirkten wie ein Katalysator in diesem Rusticofieber.

Rustico von Kathrin Rüegg in Gerra, Verzasca, in seinem Urzustand.
Legende: Das Haus von Kathrin Rüegg in Gerra, Verzasca So präsentierte sich das Haus in seinem Urzustand, als Kathrin Rüegg (1930-2011) es übernommen hatte. Luzi Schmid / Julia Schlanser
Blick auf das um- und ausgebaute Rustico von Kathrin Rüegg in Gerra, Verzasca.
Legende: Das Haus von Kathrin Rüegg in Gerra, Verzasca Nach dem Aus- und Umbau in den 80er Jahren, präsentiert sich das Rustico von Kathrin Rüegg (1939-2011) fast schon ein wenig herrschaftlich. Luzi Schmid / Julia Schlanser

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