Ein alter Streit zwischen dem Kanton Tessin und Bundesbern wird in diesen Wochen gelöst. Es geht um die Frage der Rustici. Ein neuer Plan legt fest, wo und wie Maiensässe im Berggebiet umgebaut werden dürfen. Das betrifft ausschliesslich die zukünftigen Umbauten.
Ungelöst bleibt die Vergangenheit. Jahrelang konnten illegal Rusticis um- und neugebaut werden, ohne dass die Behörden eingriffen. Ein Fall steht exemplarisch für ein Tessiner Dilemma.
Im Val Pontirone oberhalb von Biasca muss das Rustico von Rafaella Rodoni nach einem ein illegalen Aus- und Neubau abgerissen werden. Gestern ist die Frist für den Abbruch abgelaufen. Doch das Rustico steht noch.
Am Anfang stand ein Baugesuch
Das Dach von Rodonis Rustico ist mit Steinplatten bedeckt, die dicken Mauern sind aus Granitsteinen gefügt. Das Häuschen ist kein Beispiel für die Verschandelungen, von denen es viele gibt auf den Tessiner Monti. Trotzdem muss dieses Rustico abgebrochen werden.
Wie alle hat Rodoni ein Gesuch gestellt, um das Dach und die Mauern des ursprünglichen Rusticos zu sanieren. Die waren aber so schief, dass sie neu gebaut werden mussten. Damit entstand ein neues Haus. Der Grundriss misst neu anstatt fünf mal fünf Meter neu sechs mal fünf Meter. Deshalb verfügte die Gemeinde einen Baustopp.
Pläne und Gesuche wurden nachgereicht. Die Gemeinde bewilligte die Renovation. Aus Bellinzona kam ein Nein. Es handelt sich technisch um ein neues Haus, das ausserhalb der Bauzone erstellt worden ist.
Während des Baustopps drangen anderthalb Jahre lang Schnee und Wasser durch das unfertige Dach. Gleichzeitig wurde in der Nachbarschaft munter aus- und neugebaut und zwar ohne Bewilligung. Doch dafür interessierte sich die Gemeinde nicht. Schliesslich baute auch Rodoni ohne Bewilligung weiter.
Seither sind zehn Jahre vergangen. Anzeigen, Gegenanzeigen, Rekurse, ein Schreiben an den Bundesrat und eine Petition haben nichts genützt. Das Häuschen muss abgebrochen werden.
Engagement für Rodoni
Alda Fogliani, eine bekannte Journalistin aus dem Tessin, hat im Val Pontirone ein Bausünden-Dossier erstellt. Es enthält 80 Fotos. Der Fall von Rodoni sei ein Musterbeispiel dafür, dass diese Frage im ganzen Kanton in Angriff genommen werden muss. «Bisher hat nur Schweigen geherrscht. Ein ganzer Kanton steht im Unrecht», sagt Fogliani.
Ihr Dossier hat den drohenden Abbruch bei Rafaella Rodoni nicht abwenden können. Aber es landete in der Hauptstadt Bern, bei der Gemeinde, beim Kanton und im Internet. Offene und anonyme Drohungen gegen Fogliani waren die Folge.
Gemeinde Biasca muss reagieren
Auch die Gemeindebehörden von Biasca müssen nun reagieren. Rodoni hat ihr Rustico nicht abgebrochen. Norma Ferrari-Conconi, Politikerin der Lega dei Ticinesi, ist in der Gemeinde verantwortlich für Öffentliche Sicherheit und Bauwesen. Wenn die Hütte nicht von den Besitzern abgebrochen werde, dann müsse es die Gemeinde tun, sagt sie. «Tut es die Gemeinde nicht, dann kommt der Kanton oder gar Bundesbern. Einen Ausweg gibt es nicht.»