Wenn einer weiss, wie das zweite Leben einer Seilbahn aussieht, dann ist das er: Alexander von Khuon. Der Münchner ist Gondelhändler. «Wir machen nichts anderes als europaweit Gondel zusammenzukaufen, diese auszubauen und sie weiterzuverkaufen.» Pro Jahr kauft und verkauft er bis zu 350 Gondeln. In jüngerer Vergangenheit waren darunter auch mehrere sogenannte XXL-Kabinen aus der Schweiz.
Kreuzfahrtschiff statt Toggenburg - Spielplatz statt Sörenberg
Eine Seilbahnkabine zum Beispiel, die noch bis vor zwei Jahren Gäste auf den Chäserrugg beförderte, wird schon bald übers Meer gondeln. «Das ist unser absolutes Highlight. Eine leicht umgebaute Kabine steht auf dem Deck eines Kreuzfahrtschiffs.»
Viele seiner Kunden kämen aus der Gastronomie. Es gehe um Emotionen, um Erinnerungen, um das Gefühl des Schneesports und des Hüttengaudis. Aber auch um Einzigartigkeit.
Auf der Luftseilbahn, die bis 2023 Gäste von Sörenberg aufs Brienzer Rothorn beförderte, klettern und rutschen heute Kinder. Sie ist Teil eines Outdoor-Spielplatzes in einem Familienhotel im Schwarzwald. Hotelier Alfred Boch meint dazu: «So etwas findet man nicht überall. Und ja, er sei leidenschaftlicher Skifahrer.»
Es gebe aber auch private Kunden, die ihm XXL-Kabinen abkaufen würden, so Händler von Khuon. Die meisten hätten einen Bezug zum ehemaligen Skigebiet. In die ehemalige Luftseilbahn aus dem österreichischen Lech-Zürs am Arlberg, zum Beispiel, habe sich der neue Besitzer in Polen einen Whirlpool und eine Sauna gebaut.
Tinyhouse statt Engelberg - Fondue statt Wengen
Es gibt aber auch Seilbahnen, die nach wie vor in der Schweiz sind. Die Kabinen der Pendelbahn Wengen-Männlichen zum Beispiel. Unternehmer Adrian Stucki hat sie 2019 erworben und in mobile Event-Locations umgebaut. Die Kabinen standen schon an manchem Fest als Fondue-Stübli. Ein Privatradio hat darin auch schon ein temporäres Studio eingerichtet.
Was er beim Kauf aber unterschätzt habe, sei die Dimension einer solchen Gondel. «Die grösste Challenge war der Umbau. Wir mussten die Seilbahn längs entzweischneiden, damit wir sie nun ohne Spezialtransporter bewegen können», so Stucki.
Dass der Umbau einer Seilbahnkabine nicht ohne ist, weiss auch Valeria Mella. Ihr Partner und sie haben 2018 die ehemalige Luftseilbahn Brunni-Engelberg auf einer Onlineplattform entdeckt. «Es war eine spontane Idee. Wir entschlossen uns, daraus ein Tinyhouse zu bauen.» Sie hätten als Content-Creator auch schon vorher kreative Übernachtungsmöglichkeit entwickelt.
Ein Jahr lang haben sie die Seilbahn umgebaut. Zuerst stand sie auf 3000 Metern über Meer auf dem Piz Nair. Danach kehrte sie quasi nach Hause zurück und stand auf einem Felsvorsprung bei Engelberg. Zuletzt konnte man in ihr am Ufer des Walensees schlafen. Hat sich der Aufwand gelohnt? «Definitiv, die Seilbahn schlug Wellen», so Mella, «und es gab so manchen Heiratsantrag in der Kabine.»
Alte Seilbahnen, sie scheinen Emotionen zu wecken. Die gute Nachricht für alle, die noch keine besitzen: Gemäss dem Verband der Schweizer Seilbahnbranche werden jährlich eins bis drei Pendel- oder Standseilbahnen ersetzt.
Ihre Fotos
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Bild 1 von 3. Im Garten der Familie Steinmann in Lenzburg steht eine nostalgische Gondel von der Wispile in Gstaad aus dem Jahr 1987. Sie erinnert Ueli und Ursula an die ersten zehn Jahre ihrer Ehe im Saanenland. Ihre Söhne Daniel und Robert wünschten sich die Gondel, als die Bahn renoviert wurde – nun ist sie ein besonderes Andenken an ihre Zeit in den Bergen. Bildquelle: Ursula Steinmann.
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Bild 2 von 3. Zum 50. Geburtstag ihres Mannes schenkte Trudi Gobet ihm eine Gondel vom Lenk Betelberg mit der Nummer 50. Sie erinnert an die gemeinsamen Skiferien mit ihrem Sohn, als dieser noch klein war. Nun steht die Gondel als besonderes Andenken an viele schöne Momente in den Bergen. Bildquelle: Trudi Gobet.
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Bild 3 von 3. Nicht ganz ein Fondue-Stübli, aber etwas Ähnliches – diese Gondel steht nur etwa einen Kilometer von ihrem ursprünglichen Einsatzort entfernt. Bildquelle: Franz Eberle.
Auf das Erfolgsmodell seines Geschäfts angesprochen, meint Gondelhändler Alexander von Khuon: «Sind wir ehrlich. Keiner braucht eine Gondel. Aber jeder will eine Gondel.» Eine Seilbahnkabine zu besitzen, oder sie wiederzusehen, bereite einfach Freude.