Eigentlich war sie in Chile auf Reisen, doch Touristin Anna Abächerli fühlte sich plötzlich wie in ihre Kindheit zurückversetzt. Nicht der Landschaft wegen, nein, wegen des Sessellifts am Vulkan Osorno.
«Ich dachte mir ‹Hä?›, das ist ja wie in der Schweiz. Es war wie damals: Holzlatten, keine Sitzheizung, kalt und windig. Der Sessellift stimmte mich sehr nostalgisch.» Doch war es tatsächlich eine ehemalige Anlage aus der Schweiz?
Sie erkundigte sich und lernte Franz Schirmer kennen. Er ist ein Nachfahre von Schweizer Auswanderern und Co-Direktor des Skigebiets. Er bestätigte ihre Vermutung: «Ein Lift stand einst in Villars, der andere am Flumserberg.»
Um die Jahrtausendwende habe er sich Gedanken gemacht, wie man den ganzjährigen Tourismus ankurbeln könnte. Er habe nach Sesselliften Ausschau gehalten. Im Land seiner Vorfahren wurde er fündig.
Was wurde aus dem Skilift von früher?
Die Sessellifte in Patagonien sind keine Ausnahme. Auch in Bosnien-Herzegowina befördert ein ehemaliger Lift aus der «Flumsi» Schneesportlerinnen. Ein weiterer geniesst sein zweites Leben in Kirgistan. Und in Tschechien haben Sessellifte von der Lenzerheide und vom stillgelegten Skigebiet Lungern-Schönbühl ihr neues Zuhause gefunden.
Für Roland Bartholet ist dies nicht neu oder aussergewöhnlich. Der Geschäftsführer der Bartholet Seilbahnen aus Flums war der Export und Wiederaufbau von gebrauchten Liftanlagen lange ein Teil seines Geschäftsmodells.
«Wallis, Zentralschweiz, Ostschweiz. Von überall haben wir Skilifte ins Ausland verkauft. Alleine in Südamerika waren es rund 40 Anlagen. Dort haben wir sie nach europäischen Standards wieder installiert», sagt Bartholet.
Schweizer Sklifte mit zweitem Leben
Die meisten davon seien noch immer in Betrieb. Auf manchen finde man mit Glück einen vergilbten Kleber der Schweizer Destination. Doch einige altgediente Skilifte am anderen Ende der Welt nehmen gänzlich neue Aufgaben wahr: Eine revidierte Secondhand-Bahn fahre heute über die Baumkronen in Costa Rica, andere seien in Nepal als Zubringerbahnen im Einsatz.
Weniger Occasionshandel als früher
Doch das sind, so Bartholet, tempi passati: «Den letzten Sessellift haben wir vor circa sieben Jahren verkauft, den letzten Bügellift vor vier Jahren.» Der Boom, der sei vor rund 30 Jahren gewesen.
«Damals lag noch Schnee. Auch kleine Skigebiete konnten investieren und aufrüsten», so Bartholet. «Die ‹alten› Lifte waren teils erst zehnjährig. Die verkauften wir mit gutem Gewissen weiter.»
«Die heutigen Anlagen in der Schweiz sind aber komplexer und meist über 30 Jahre in Betrieb, bevor sie ersetzt werden.» Komme hinzu: «Auch im Rest der Welt gelten dieselben Sicherheitsstandards.» Das sei wichtig. Aber all diese Normen könne man fast nicht mehr gewährleisten. «Der Markt ist praktisch nicht mehr vorhanden.»
Vereinzelt scheint es ihn aber noch zu geben, wie die Nachfrage bei Skigebieten ergibt. Der Verkauf einer weiteren Sesselbahn nach Tschechien – 10 Jahre nach der letzten – stehe kurz vor dem Abschluss, schreiben die Lenzerheide Bergbahnen.
Es windet, es hat Eis. Aber die Lifte halten ewig. Das ist Schweizer Qualität.
Ausführen würde den Export eine Firma aus Österreich. Ein Blick auf deren Website zeigt, dass auch heuer noch Anlagen aus dem Alpenraum ins Ausland ziehen, nach Armenien, Polen oder Argentinien.
Franz Schirmer, der Co-Direktor des Skigebiets in Chile, schwärmt: «Die Lifte stehen seit 20 Jahren. Es windet, es hat Eis. Aber das ist Schweizer Qualität, die halten ewig!»