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Neues ESA-Innovationszentrum Zurbuchen: «Ohne die Schweiz hebt keine europäische Rakete ab»

Über 300 Millionen Franken investiert die Schweiz jedes Jahr in die Raumfahrt. Jetzt eröffnet die Europäische Weltraumorganisation ESA im aargauischen Villigen das erste Innovationszentrum für die Raumfahrt in der Schweiz – ein wichtiger Schritt für die Weltraumnation, sagt der Astrophysiker Thomas Zurbuchen.

Thomas Zurbuchen

Astrophysiker

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Der Astrophysiker hat als Forschungsleiter der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa rund 100 Missionen geleitet. Heute leitet er an der ETH Zürich das Raumforschungsprogramm «Space»

SRF: Die Schweiz hat ein bescheidenes Weltraumprogramm im Gegensatz zu anderen Organisationen und Ländern. Trotzdem sind wir führend, sagen Sie. Wieso?

Thomas Zurbuchen: Die Schweiz hat seit Beginn, als es in den Weltraum ging, mitgemacht. Sie war bei den ersten Experimenten auf dem Mond dabei. Aber auch, weil die Schweiz technologisch in gewissen Bereichen führend ist. Zum Beispiel mit Uhren im Weltraum. Natürlich nicht Uhren, mit denen wir hier unten herumlaufen. Es sind genaue Uhren im Weltraum, die das Galileo-System (Navigationssystem, anm. Red.) in einer Art und Weise zusammenkommen lässt, dass es genau ist.

Vorreiter Schweiz

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Die am 30. Mai 1975 unterzeichnete ESA-Konvention legte den Grundstein für Europas gemeinsame Anstrengungen in der Weltraumforschung und -erkundung. Die Schweiz war einer der ursprünglichen Unterzeichner. In den vergangenen fünf Jahrzehnten hat die Weltraumorganisation zahlreiche Meilensteine erreicht, von der Durchführung bahnbrechender Missionen bis zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Weltraumforschung.

Warum war es in der Schweiz so wichtig, von Anfang an dabei zu sein im Weltraum? Man könnte auch sagen, wir haben hier unten auf der Erde genügend andere Probleme.

In der Schweiz gibt es top ausgebildete Leute – an Universitäten, ETHs und in der Lehre. Sie können bauen, löten, verdrahten – genau das, was es für die Raumfahrt braucht. Unsere legendäre Genauigkeit ist ein weiterer Vorteil. Viele Firmen haben früh erkannt, dass hier neue Märkte entstehen, mit Jobs und Wertschöpfung für die Schweiz.

Wo stehen wir heute in der Raumfahrtindustrie und -technologie?

Die Schweiz hat eine starke Präsenz in der Raumfahrt – oft unbemerkt. Sie baut Strukturen für Wettersatelliten und andere Missionen. Kaum eine europäische Rakete startet ohne Schweizer Technologie – sogar die Spitze stammt von hier. Auch viele Motoren auf Mond und Mars, etwa für Kameras oder Roboterarme, kommen aus der Schweiz.

Sie waren Nasa-Forschungschef in Kalifornien. Sie haben über 40 Missionen mit einem Team von 8'000 Menschen geleitet. Heute sind Sie an der ETH in Zürich. Muss man da gezwungenermassen etwas bescheidener werden, was die Raumforschung anbelangt?

Ein Land, das kleiner ist als Amerika – da müssen wir gut darüber nachdenken, wo wir exzellent sind. Wir können nicht überall super sein. Das ist nicht möglich und auch nicht gewollt. Wir wollen unsere Nische finden, wo wir wirklich führend sein wollen und können. So denke ich darüber nach. Wie bringen wir eine Technologie an die Weltspitze.

Mein Traum ist, dass Schweizer Roboter auf dem Mond und auf dem Mars stehen.
Autor: Thomas Zurbuchen Astrophysiker

Schauen wir nach vorn in die Zukunft. Wie sieht die Weltraumnation Schweiz in 50 Jahren aus? Was gibt es für Innovationen von uns?

Wettervorhersagen basieren heute stark auf Daten aus dem All. In Zukunft wollen wir in der Quanten- und Materialtechnologie führend sein – und neue Nischen wie die Erdwissenschaft erschliessen. Mein Traum: Schweizer Roboter auf Mond und Mars. Das soll Jobs schaffen und Kinder inspirieren, Grosses zu wagen – auch wenn es zuerst verrückt klingt.

Und Sie selber, wann gehen Sie «obsi» in den Weltraum?

Haha, ich muss mit der ETH schauen, dass sie mir etwas mehr Lohn geben. Im Moment ist es noch teuer. Ich habe einfach nicht genug Geld für das. Ehrlich gesagt, wenn ich es hätte, würde ich sicher eine der Raketen nehmen und einmal die Erde umkreisen. Im Moment gibt es nirgends auf einem Plan ein Datum, aber ich hoffe, bald einmal.

Das Gespräch führte Adrian Küpfer.

Radio SRF 1, Morgengast, 27.5.2025, 7:20 Uhr ; 

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