Wertvolle Nährstoffe - Kompost und Dünger aus menschlichen Ausscheidungen
Sollten wir unsere Fäkalien wieder mehr wertschätzen? Verschiedene Projekte versuchen, das Potential von menschlichem Kot und Urin auszuschöpfen. Eine Spurensuche.
Fäkalien mögen nicht den besten Ruf haben, aber sie sind reich an Nährstoffen. Den Mist unseres Viehs spritzen wir als Gülle auf die Felder. Unsere Ausscheidungen aber, die schwemmen wir weg. In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit in aller Munde ist, frage ich mich: Warum eigentlich?
Menschlicher Mist als Handelsgut
Für die Bewirtschaftung der Felder und Gärten verwendete man einst die Nährstoffe aus der eigenen Mistgrube, erklärt Historiker Martin Illi. Bereits im Spätmittelalter wurde dem Mist auch eine grosse wirtschaftliche Bedeutung zugemessen. Es wurde damit Handel betrieben. Bauern füllten ihre Jauchewägen in der Stadt und fuhren damit aufs Feld.
Den menschlichen Mist verlud man auf Schiffe und brachte ihn an die Goldküste. Dort wurde er als Dünger eingesetzt.
Ende des 19. Jahrhunderts stellten viele auf die Viehzucht um. Fortan hatten sie eine hofeigene Düngerproduktion und vorallem gab es auf dem Markt Kunst- und Handelsdünger. Das Interesse am Mist sank. Aber Dünger aus menschlichen Ausscheidungen blieb dennoch noch lange etwas Normales. Selbst dann, als sich im 20. Jahrhundert die sogenannte Schwemmkanalisation durchsetzte, die wir heute noch verwenden.
Aus den Augen, aus dem Sinn
Für die durchschnittliche Bevölkerung hiess es fortan: Spülung drücken und «aus den Augen, aus dem Sinn». Aber als Teil des Klärschlamms wurden menschliche Ausscheidungen noch lange auf den Feldern ausgebracht. Erst 2006 wurde dies verboten. Die potentiellen Rohstoffe werden seither ungenutzt verbrannt. Warum?
«Unsere Ausscheidungen sind angereichert mit Schadstoffen, Schwermetallen und Mikroverunreinigungen von Medikamenten», erklärt Michael Zimmermann vom Bundesamt für Landwirtschaft. Zudem befürchtete man, durch den Schlamm könne der Rinderwahn verbreitet werden.
Darf man (die eigenen) Fäkalien kompostieren?
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Die direkte Ausbringung des phosphorhaltigen Klärschlamms in die Landwirtschaft ist seit 2006 verboten. Doch wie sieht die rechtliche Lage aus, wenn jemand seine eigenen Ausscheidungen ausbringen möchte?
Nicht verboten, also erlaubt
Verschiedene angefragte Verkäufer von Trockentoiletten sprechen von einem rechtlichen Vakuum. Das Gesetz kenne das Wort Fäkalien nicht und kompostierte Fäkalien seien auch kein Klärschlamm.
Dies bestätigt auch Michael Zimmermann vom Bundesamt für Landwirtschaft: «Wer aus den eigenen Fäkalien einen Kompost herstellt, der darf diesen im Schrebergarten ausbringen.» Es sei allerdings nicht erlaubt diesen in den Verkauf oder den Verkehr zu bringen.
Spezialbewilligungen bei grösseren Mengen
Der Toiletten-Vermieter Kompotoi muss für seinen Kompost jeweils eine Sonderbewilligung einholen. Privatverbraucher können diesen noch nicht kaufen. Man setze sich dafür ein, dass der gewonnene Kompost in Zukunft auf die Positivliste der zugelassenen Dünger aufgenommen werde.
Den Kreislauf wieder schliessen
«Es kann doch nicht sein, dass beste Nährstoffe einfach weggespült werden», findet Jojo Linder. Seit 2012 baut er Kompost-Toiletten. Heute vermietet er solche. Sie funktionieren ohne Wasser und Chemie. Über das persönliche Geschäft gibt man einen Einstreu. Dieser neutralisiert Gerüche und hilft bei der späteren Kompostierung.
Wir wollen die besten Nährstoffe recyclen. Es kann doch nicht sein, dass wir diese einfach wegspülen.
Bei dieser würden alle potentiell krankheitsgefährdenden Keime abgebaut, versichert Linder. Zudem hätten sie, verglichen mit dem Abwasser in der Kläranlage, einen «sehr reinen Rohstoff». Es entstehe ein organisch wertvolles Endprodukt. Dank der Vermietung könne man auf die Thematik aufmerksam machen: «Die breite Bevölkerung weiss nicht, was für ein Wert in unseren Ausscheidungen steckt.»
Die Rückgewinnung des «Dünger-Rohstoffs» Phosphor
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Die Schweiz importiert jährlich 4500 Tonnen Phosphor als Mineraldünger aus dem Ausland. In der Schweiz gibt es keine primären Phosphorvorkommen. Aber sekundäre: Rund 6500 Tonnen Phosphor gehen in der Schweiz jährlich mit dem Abwasser verloren.
Die direkte Ausbringung von phosphorhaltigem Klärschlamm in der Landwirtschaft ist seit 2006 verboten. Er wird in Kehrrichtverbrennungsanlagen und Zementwerken verbrannt oder in speziellen Anlagen zu Klärschlammasche umgewandelt.
Anlass zur Sorge
Die Import-Abhängigkeit bezeichnet das Bundesamt für Umwelt als Anlass zur Sorge. Zwar stünden mittelfristig ausreichend Phosphaterze zur Verfügung, aber die Vorkommen würden sich auf wenige Länder und geopolitisch instabile Regionen konzentrieren. Könnte man also zwei Drittel des Phosphors aus dem Abwasser zurückgewinnen, hätte man den Düngerbedarf gedeckt.
Phosphor-Recycling
Die Schweiz hat deshalb als erstes Land die Betreiber von
Abwasserreinigungsanlagen bis 2026 zum Recycling von Phosphor verpflichtet. An vier Standorten wird zurzeit an Verfahren für die Rückgewinnung des Wertstoffs aus der Asche, dem sogenannten Phosphor-Mining, getüftelt. Gemäss Stefan Schlumberger vom Zentrum für nachhaltige Abfall- und Ressourcennutzung sei dies mittlerweile auch möglich. In der Praxis, im grossen Stil, wird man das Ziel aber bis 2026 nicht erreichen. Grund dafür seien die Rahmenbedingungen. In Zuchwil beispielsweise ist die grösste Phosphorrückgewinnungsanlage geplant, die circa 50% des Klärschlamm vereine. Diese könne aber frühstens 2028 gebaut werden.
Angebot und Nachfrage
Die Verfahren werden die Entsorgungskosten für Klärschlamm und letztendlich die Abwassergebühren der Haushalte verteuern. Zudem seien laut Schlumberger noch nicht alle Fragen bezüglich des Phosphor-Minings geklärt. Zum Beispiel, wie viel Phosphor wirklich zurückgewonnen werden soll. Würde nämlich alles Phosphor recycelt, hätte die Schweiz plötzlich einen subventionierten Phosphorüberschuss. Dieser wäre zwar ökologisch, rein und nachhaltig, aber wohl teurer als der Marktpreis. Nachfrage und Potential müsse man noch abgleichen.
Das flüssige Gold
Auch Urin lässt sich recyclen. Seit 2018 ist in der Schweiz ein Dünger für Blumen und Gemüse erhältlich, der komplett aus menschlichem Urin hergestellt wird. In einem am Wasserforschungsinstitut EAWAG entwickelten Verfahren eliminieren Bakterien, Aktivkohlefilter und Verdampfer sämtliche Schadstoffe aus dem Urin. Aus 500 Litern entstehen 35 Liter Flüssigdünger.
Theoretisch könnten wir mit Recycling den kompletten Düngebedarf decken.
Um Urindünger bekannt zu machen, touren Bastian Etter, Geschäftsführer der Vuna GmbH, und sein Team mit einer mobilen Düngerfabrik durchs Land. Wegen der benötigten Menge Urin lohne sich eine Dünger-Produktionsanlage zurzeit erst an Orten, wo rund hundert Personen regelmässig in wasserlose Urinale oder Trenntoiletten urinieren.
Werden wir in Zukunft also unsere Ausscheidungen wieder verwerten, wie es einst Usus war? «Das Verhalten auf sanitären Anlagen wird sich kaum ändern», meint Jojo Linder, «die Infrastruktur aber schon». Die Nährstoffe aus unseren Ausscheidungen dürften wieder vermehrt zurück in die Böden gelangen.
Aus dem Flüssigen wird Dünger, aus dem Festen wird Kompost
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