Illustre Gäste
Er führt sein Festival in Luzern seit 25 Jahren. Sie ist seit zwei Jahren Intendantin einer Konzertreihe im Urner Alpendorf Andermatt. Beide haben Musik studiert: Michael Haefliger Violine an der New Yorker Juilliard School; Lena-Lisa Wüstendörfer an der Musikhochschule Basel ebenfalls Violine und Dirigieren. Als Dirigentin setzt sie sich mit ihrem Swiss Orchestra für Schweizer Sinfonik ein – eine Bereicherung des Repertoires.
Das Lucerne Festival firmiert dieses Jahr zum letzten Mal unter der Intendanz von Michael Haefliger. Wie jedes Jahr spielen neben den Sinfonien Gustav Mahlers auch diejenigen Anton Bruckners eine zentrale Rolle. Heuer besonders, jährt sich Bruckners Geburtstag am 4. September doch zum 200. Mal. Ganze fünf Sinfonien, von verschiedenen Orchestern gespielt, stehen auf dem Programm. Auch die 5. Sinfonie in B-Dur, über die in der «Diskothek» gesprochen werden soll.
Das grosse Erblühen: Bruckners 5. Sinfonie
Anton Bruckner nannte sie sein «kontrapunktisches Meisterstück». Damit spricht er auf die Doppelfuge im letzten Satz an, eine Fuge, in der nicht ein, sondern zwei Themen verarbeitet werden. Sowie ein Stück eigene Biografie: Im Jahr der Komposition, 1874, hatte sich Bruckner für eine Stelle in Musiktheorie an der Universität Wien beworben. Mit den Worten, man sehe, dass «Herr Bruckner über das Fach, das er lehren will, sich selbst nicht ganz klar ist», wurde er abgewiesen. Im kontrapunktischen Finale seiner Sinfonie verkündete der abgewiesene Komponist selbstbewusst das Gegenteil.
Überhaupt ist Bruckners Fünfte ein Zeugnis durchdachter Konstruktion. Wie auch in anderen Sinfonien fasst der Komponist im Finale nämlich Themen der drei vorangegangenen Sätze zusammen. Dort jeweils noch bis zur Kantigkeit zurückgebunden, entfalten sie zuletzt dann doch die grosse Blütenpracht.
Am Lucerne Festival kam und kommt auch dieses Jahr unter Michael Haefligers Führung die Moderne nicht zu kurz. In eigenen Reihen, mit prominenten composers in residence , mit einem darauf spezialisierten Ensemble, dem Lucerne Festival Contemporary Orchestra, findet die zeitgenössische Musik am Vierwaldstättersee wie selbstverständlich ihr Gehör. Blenden wir 150 Jahre zurück, ins Wien Anton Bruckners, so ist natürlich auch seine Sinfonik zeitgenössisch. Und wurde, wie auch heutige zeitgenössische Musik, kontrovers aufgenommen.
Bruckners 5. Sinfonie etwa musste sich jahrelang erst den Weg in den Konzertsaal bahnen. Sein Komponieren wich vom sinfonischen Standard seiner Zeitgenossen ab: Häufig verwendete er drei statt der üblichen zwei Themen, komponierte sich zuspitzende und oft nicht auflösende Konflikte statt kompositorische Versöhnung.
Als die Fünfte 1894 mit 20 Jahren Verspätung in Graz uraufgeführt wurde, fühlte sich der Dirigent jener Aufführung, Franz Schalk, genötigt, massiv in den Notentext einzugreifen, um die Sinfonie «bekömmlicher» zu machen. Bruckner war zu krank, um nach Graz zu fahren. So musste er nicht miterleben, wie sein ganzer Stolz, die Doppelfuge im Finale, einfach gestrichen worden war.
Radio SRF 2 Kultur zeichnet regelmässig Sendungen mit Publikum im Auditorium des Radiostudios im Meret Oppenheim Hochhaus in Basel auf. Das können Konzertaufnahmen sein («Public Recordings») oder Sendungen wie die «Diskothek».