Vor allem im Norden Chicagos stehen viele kleine Häuser mit Veranda und Vorgarten – und genau dort beginnt das illustre Wettrüsten. An Halloween wetteifern sprechende Skelette, aufblasbare Monster, Rauch und Stroboskoplicht um die Aufmerksamkeit. Kaum ist der Plastikvampir eingepackt, steht schon der Truthahn für Thanksgiving bereit – oft mannshoch und unübersehbar.
Wo werden die zwei Meter hohen Monster oder die überdimensionalen Santas jeweils verstaut?
Manche Dekofanatiker legen sich ganze Sammlungen zu – nach Saison und Feiertagen sortiert. Das kann ganz schön viel Platz beanspruchen. Kein Wunder fragt sich Andrea Christen bei all dem Bling-Bling, den zwei Meter hohen Monstern oder dem überdimensionalen Santa samt Rentierschlitten: Wo soll das alles verstaut werden, bis es wieder zum Einsatz kommt?
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Bild 1 von 8. «Trick or Treat» alleine reicht nicht mehr. Der Vorgarten wird kurzerhand zum Themenpark umfunktioniert. Bildquelle: SRF / Andrea Christen.
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Bild 2 von 8. Je eindrucksvoller die Aufmachung, desto besser. Bildquelle: SRF / Andrea Christen.
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Bild 3 von 8. Sprechende Puppen sorgen für den gewissen Gruselfaktor. Bildquelle: SRF / Andrea Christen.
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Bild 4 von 8. Da darf die Monsterfigur auch gerne mehrere Meter hoch sein. Bildquelle: SRF / Andrea Christen.
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Bild 5 von 8. Wohin damit nach Halloween? Das ist nebensächlich. Hauptsache man fällt auf und die Kinder haben ihren Spass. Bildquelle: SRF / Andrea Christen.
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Bild 6 von 8. Noch Halloween oder schon Weihnachten? Bildquelle: SRF / Andrea Christen.
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Bild 7 von 8. Kaum ist das Skelett wieder verstaut, wird der Weihnachtsschmuck aufgestellt. Bildquelle: SRF / Andrea Christen.
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Bild 8 von 8. Lieber einen grossen Nussknacker als gar nichts. Bildquelle: SRF / Andrea Christen.
Kein Zufall, dass Self-Storage-Anbieter längst ein Geschäft daraus gemacht haben – mit Lagerräumen für Dinge, von denen man sich zwar nicht trennen will, die aber zu Hause einfach keinen Platz mehr finden.
Weihnachten sprengt dann alle Dimensionen: Rentiere, Elfen, Santa-Figuren und ganze LED-Landschaften lassen ganze Quartiere in buntem Dauerflimmern versinken.
Selbstdarstellung als kulturelle DNA
Der Deko-Wahn hat tiefe kulturelle Wurzeln: In den USA zeigt man gerne, wer man ist und wofür man steht. Das beginnt beim Aufkleber auf dem Auto, beim T-Shirt mit Botschaft und endet bei der Hausfassade. Anders als in Europa gilt Zurückhaltung nicht als Tugend – Sichtbarkeit ist Statement.
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Bild 1 von 2. Gerne zeigt man, welch privilegierte Schule die Kinder besuchen. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 2. Sollte das teure Gym-Abo noch keine Wirkung zeigen, lässt sich zumindest im Vorgarten damit prahlen. Bildquelle: SRF.
Diese Selbstdarstellung funktioniert auch ohne Feiertage. Besuchen die Kinder eine renommierte Schule, steht das Schild der High School im Vorgarten. Wer im College war, in der Armee gedient hat oder einem sogenannten Rescue Dog aus dem Tierheim ein Zuhause gegeben hat, teilt das über Logos, Banner oder kleine Tafeln mit.
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Bild 1 von 3. MIt Regenbogenfahnen und «Hands off Chicago» an der Haustüre will man ein Zeichen setzen. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 3. Wer ein «Proud Union Home»-Schild vor seinem Haus aufstellt, signalisiert: Wir stehen zu Gewerkschaften, für Arbeitnehmerrechte, Solidarität, soziale Gerechtigkeit bzw. Klasseninteressen. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 3. Republikanisch-konservative Statements werden in Chicago weniger prominent gezeigt. Eine simple Nationalflagge, womöglich kombiniert mit einem Pick-up-Truck vor der Garage, lassen leichte Rückschlüsse darauf zu. Bildquelle: SRF.
Und das kostet: Allein für Halloween gaben die Amerikanerinnen und Amerikaner dieses Jahr über 4,2 Milliarden Dollar aus – ein neuer Rekord.
Politik am Gartenzaun
Neben Selbstdarstellung geht es oft um klare politische Haltungen. Vor Wahlen schiessen Plakate wie Pilze aus dem Boden – mit Namen, Slogans und Forderungen. Doch auch nach den Wahlgängen bleiben viele Botschaften stehen. Die Fronten zwischen Demokraten und Republikanern verlaufen hart, und das zeigt sich direkt vor der Haustüre.
Im Vorgarten zeigt sich der tiefe politische Graben zwischen Stadt und Land.
In den meist linksliberalen Stadtteilen Chicagos finden sich Schilder gegen Trump, Regenbogenfahnen oder Statements wie «Black lives matter» und «Free healthcare for all». In ländlichen Gebieten dominieren dagegen Patriotismus, grosse Pick-up-Trucks und Forderungen nach Waffenrechten oder «All lives matter». «Im Vorgarten zeigt sich der tiefe politische Graben zwischen Stadt und Land», erklärt Christen.