Die alte Fabrikhalle ist lichtdurchflutet und gross wie eine Turnhalle. Von draussen klingt gedämpft der Verkehr, der sich durch Erlenbach schiebt. Hier am Ufer des Zürichsees haben If Games ihr Studio. Hier arbeitet etwa ein Dutzend Leute an Spielideen – und an Filmen. Denn hinter If Games stehen mit Mike Huber und Phillipp Zünd zwei Leute, deren eigentliches Standbein die Film- und Werbebranche ist.
Mit der Entwicklung des Games « The Perils of Man » haben die beiden in den letzten Jahren eine neue Welt kennengelernt. Eine, die ihnen sehr gefällt, wie Mike Huber sagt: «Die Zusammenarbeit bei den Game-Entwicklern ist viel direkter als zum Beispiel in der Werbebranche. Dort wird viel taktiert und abgewogen, bei der Entwicklung von Games dagegen mit viel Herzblut gearbeitet – manchmal bis zum Umfallen.»
Games entwickeln kostet viel Geld
Die ursprüngliche Idee zu «The Perils of Man» hatte das Rückversicherungsunternehmen Swiss Re, das junge Leute an das Thema Risiko heranführen wollte. Der Konzern beauftragte Huber und Zünd mit der Umsetzung des Spiels. Die beiden verfügen zwar über viel Know-how, was das Filmemachen angeht. Bei der Entwicklung des Games stiessen sie aber an ihre Grenzen. Sie holten sich deshalb Unterstützung beim amerikanischen Game-Produzenten Nathan Ornick, der zum dritten Mann hinter If Games wurde.
Später kamen weitere Helfer dazu, etwa Janina Woods und Sebastian Tobler. Die beiden haben an der Zürcher Hochschule der Künste Game Design studiert und führen heute ihre eigene Game-Firma Ateo . Dass Games im Auftragsverhältnis produziert werden – so wie es Ateo bei «The Perils of Man» für If Games tat und If Games wiederum für Swiss Re – ist in der Schweiz nichts Ungewöhnliches. «Die meisten Spiele, die hier gemacht werden, haben eine Auftragsbasis oder einen Werbezweck», weiss Sebastian Tobler. Nur selten können die Entwickler also von A bis Z ihre eigenen Ideen umsetzen.
Ein Spiel wie «The Perils of Man» hätte ohne einen potenten Sponsoren wie Swiss Re im Hintergrund auch gar nicht entstehen können. Gut drei Jahre hat es von der ersten Idee bis zum fertigen Game gedauert. Wie viel die Entwicklung gekostet hat will – und darf – niemand verraten. Die Kosten liessen sich mit denen eines Schweizer Spielfilms vergleichen, heisst es nur. Ein, zwei Millionen Franken werden es wohl gewesen sein.
Viel Zusammenhalt in der Szene
Gewinn machen If Games mit ihrem ersten Titel noch keinen. Dafür kommt «The Perils of Man» bei den Kritikern gut an. Ende September gewann das Game den Swiss Game Award, eine Art Oscar für das beste Spiel aus Schweizer Hand. Dass da ein Neuling in der Szene gleich gross abgeräumt hat – sorgte das bei anderen Entwicklern nicht für böses Blut? Nicht im Geringsten, sagt Mike Huber: «Unser Gewinn wurde sehr positiv aufgenommen, sehr herzlich und offen.»
Der Zusammenhalt sei gross bei den Schweizer Game-Entwicklern. Das mag damit zusammenhängen, dass hier im Vergleich zum Ausland vieles noch in den Kinderschuhen steckt. Dass sich eine professionelle Geschäftskultur gerade erst entwickelt und unter den Pionieren noch viel Solidarität besteht.
Doch auch in anderen Dingen unterscheide sich die Game-Landschaft in der Schweiz noch vom Ausland, meint Sebastian Tobler. Etwa wie Games in der Öffentlichkeit beurteilt würden: «In der Schweiz ist die Mentalität noch verbreitet, dass Games etwa sind, das man zum Spass macht, als kulturelles Produkt – und nicht etwas, mit dem man Geld verdienen will.» Entsprechend wird die Entwicklung von Games in der Schweiz vor allem von Kulturstiftungen wie der Pro Helvetia unterstützt und nicht von der Wirtschaftsförderung.
Der App Store ist ein zweischneidiges Schwert
Dabei ist es heute leichter als je zuvor, mit einem Game Geld zu verdienen – theoretisch zumindest. Denn dank neuen Spielgeräten wie Smartphones und Tablets ist nicht nur die Zahl der Gamer viel grösser geworden. Die neuen Geräte machen es für kleine Produzenten auch sehr einfach, ihr Game an den Spieler zu bringen: Auf zentralen Plattformen wie den App Stores von Apple oder Google kann auch ein Einmann-Betrieb mit seinem Titel ein Millionenpublikum erreichen.
Allerdings ist diese Demokratisierung der Distribution eine zweischneidige Angelegenheit: Weil der Weg zum Publikum für alle einfacher geworden ist, erscheinen jede Woche Tausenden neuer Games in den App Stores. Ein einzelner Titel geht da schnell unter. Zumal in erster Linie die Spiele besonders hervorgehoben werden, die oben in den Charts stehen und sowieso schon erfolgreich sind.
Ein Teufelskreis, wie auch Sebastian Tobler weiss: «In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass sich dieselben Games wie 'Candy Crush' oder 'Farmville' in den App Stores richtig festgebissen haben und es als neues und innovatives Spiel schwer ist, diese bestehende Machtordnung aufzubrechen.»
Umdenken in der Standortförderung nötig
Den Erfolg eines Games, da sind sich die Macher von If Games und Ateo einig, kann niemand voraussagen. Umso wichtiger ist deshalb das Marketing, dank dem ein Titel sich aus der Masse hervorheben kann. Eine Faustregel besagt, dass dazu mindestens dieselbe Summe, die in die Entwicklung eines Games gesteckt wurde, noch einmal für dessen Vermarktung nötig ist. Nicht wenig Aufwand für eine Branche, die sich erst entwickelt.
Doch Sebastian Tobler sieht auch Vorteile für Schweizer Entwickler: Weil gut ausgebildete Leute hier arbeiten, die viel Wert auf die Qualität ihrer Produkte legen. «Dieses Qualitätsbewusstsein wird in Zeiten, in denen jede Woche so viele neue Spiele herauskommen, immer mehr zum Standortvorteil.»
Nun sei nur noch nötig, so Tobler, dass in Politik und Wirtschaft ein Umdenken in Sachen Standortförderung für Game-Entwickler passiere. «Im Moment herrscht vielerorts noch die Vorstellung, Games seien ein Medium für Kinder – aber dem ist keineswegs so.»
«The Perils of Man» gibt es für iPhone und iPad. Das erste Kapitel des Games kann im App Store von Apple heruntergeladen werden, das zweite Kapitel soll Ende Januar erscheinen. Eine Android-Version von «The Perils of Man» ist in Entwicklung, ebenso eine Version für den PC.