Khoa Phan veröffentlichte seine erste 6-Sekunden-Animation ein paar Tage nach der Übernahmen von Vine durch das soziale Netzwerk Twitter. Für seine Animationen verwendet Pham ein Smartphone und alltägliches Werkzeug, vor allem Papier, Stift und Schere. Mit diesen einfachen Hilfsmitteln und aneinandergereihten Einzelbildaufnahmen – einer Animationstechnik, die so alt ist wie der Film selber – hat der 23-Jährige einen unverwechselbaren Stil kreiert: Figuren aus Papier interagieren mit einem menschlichen Protagonisten oder bewegen sich von selbst. Publiziert hat Pham seine Kreationen über Twitter mit einem potenziellen Publikum von 200 Millionen Menschen. Es dauerte nicht lange, bis die Marketingabteilungen der ersten Firmen auf das junge Talent aufmerksam wurden und mit ihm zusammenarbeiten wollten, darunter namhafte Firmen wie Samsung, Chevrolet oder CNN, die das neue Video-Format einsetzen.
Vine und Instagram: Die Unterschiede
Vine Beispiele
- Khoa Phan: Poetische Animation Khoa Phan: Poetische Animation
- Khoa Phan: Auftragsarbeit für Peanuts Khoa Phan: Auftragsarbeit für Peanuts
- NatWest: Kurzvideos in der Kundenbetreuung NatWest: Kurzvideos in der Kundenbetreuung
- NatWest: Kurzvideo im Marketing NatWest: Kurzvideo im Marketing
- Vine: Trotz einfacher Bedienung komplexe Effekte erzeugen Vine: Trotz einfacher Bedienung komplexe Effekte erzeugen
- Will Sasso: Running Gag mit Zitrone Will Sasso: Running Gag mit Zitrone
Phan arbeitet mittlerweile auch mit dem zweiten bekannten Kurzvideo-Format, mit Instagram von Facebook, das Längen von bis zu 15 Sekunden erlaubt. Filmen und publizieren ist mit beiden Apps so einfach wie fotografieren: Abdrücken, gedrückt halten für die Dauer der Aufnahme und anschliessend das Video mit einem Klick über Twitter oder Facebook publizieren.
Doch es gibt Unterschiede zwischen Vine und Instagram. Nicht nur in Bezug auf die Dauer, auch technisch sind die Möglichkeiten bei Vine auf ein Minimum beschränkt: Filmen oder Einzelbildaufnahmen, die letzte Aufnahme löschen und bei Animationen das erste aufgenommene Bild einblenden – mehr ist nicht möglich.
Die Instagram-App geht wesentlich weiter und stellt zusätzlich einen Video-Editor zur Verfügung (iOS Version), mit dem sich die Länge der einzelnen Aufnahmen verändern und die Abfolge der Clips neu anordnen lassen. Trotzdem bevorzugt Phan das Format Vine, weil ihm der Mechanismus der Einzelbildaufnahme gefällt und weil er überzeugt ist, dass es noch viel gibt, was man innerhalb von 6 Sekunden ausprobieren kann.
Auf den Punkt gebracht
Ein Wettbewerb, bei dem Schülerinnen ihre selbstgedrehten Videos aus dem Naturkundeunterricht einschicken konnten, zeigt eindrücklich, was in der kurzen Zeitspanne mit Video vermittelt werden kann. Unter den Einsendungen finden sich Animationen von chemischen Formeln oder Aufnahmen von Experimenten. Eines der eindrücklichsten Beispiele: Ein Pfeil, der nach links zeigt, vorne ein Glass Wasser, die Kamera bewegt sich nach unten und filmt den Pfeil nun durch das Wasser, wodurch er plötzlich in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Für die Demonstration dieses optischen Effektes braucht es keine 3 Sekunden. Ein neuer Dokumentar-Stil ist entstanden.
Das neue Format taugt nicht nur für Dokumentarfilme, auch ein eigener Comedy-Stil hat sich etabliert. Wer sich darunter jedoch den klassischen Komödianten vorstellt, der liegt komplett falsch, wie ein Beispiel zeigt: Ein Mann versucht zu singen, bringt jedoch keinen Ton heraus und zieht stattdessen eine Zitrone aus dem Mund.
Nicht nur für die Profis
Filmen setzt einiges an Fachwissen voraus. Von der Dramaturgie über den Bildaufbau bis zum Schnitt braucht es Erfahrung, will man das Medium richtig nutzen. Konsumenten sind an einen hohen Qualitäts-Standard gewöhnt, das Gefälle zu Amateur-Produktionen ist deshalb gross. Die Kurzformate (6 Sekunden bei Vine, 15 Sekunden bei Instagram) nehmen viel von dem Druck, der beim Filmen auf Amateuren lastet, denn die zeitliche Einschränkung verlangt nach einer ganz eigenen Dramaturgie. Dazu kommt noch die Loop-Funktion: Die Videos laufen permanent in einer Schlaufe. Auf diese Weise entsteht ein neues Format, das sich von Film oder Fernsehen radikal unterscheidet und ganz neue Möglichkeiten des Erzählens eröffnet. Die Kurzfilme stehen deshalb nicht in unmittelbarer Konkurrenz zu professionellen Produktionen; die Hemmschwelle für Amateure, über Kurz-Videos mit Freunden zu kommunizieren, sinkt.
Neue Nutzungsmöglichkeiten
Neben der privaten Verwendung haben sich noch andere Anwendungsgebiete für die Kurzvideos etabliert. Eine der grössten britischen Banken verwendet Vine Videos zur Beantwortung von Kundenfragen zum Internetbanking. Die Bank will zudem über Kurzvideos junge Studierende ansprechen, mit Tipps zum Geldsparen im Alltag und zum Leben im eigenen Haushalt. Doch aufgepasst: Bereits sind die ersten Videos von Amateuren veröffentlicht, die sich über diese Form des Marketing lustig machen. Bei Kurzvideos sind die Spiesse zwischen Profis und Amateuren praktisch gleich lang, da Geld eine untergeordnete Rolle spielt. Anders als bei herkömmlichen Video-Produktion reicht für ein Kurz-Video ein Smartphone und eine kreative Person – teure Kameras, Schnittplatz und ein grosses Team braucht es nicht. Was zählt sind alleine die Ideen, wie das Beispiel von Phan zeigt, der seit 8 Monaten mit Papier, Schere und guten Einfällen sein Publikum begeistert.