In manchen Momenten entscheiden Milli-Sekunden über Glück und Unglück, über Erfolg und Misserfolg. Ein Augenblick kann den Traum eines Sieges erfüllen – oder ihn zerstören.
Sport-Redaktor Marcel Melcher hat die Sport-Annalen durchstöbert und ist dabei auf den einen oder anderen Zufallserfolg gestossen. Die argentinische Fussball-Nationalmannschaft kann davon ein Liedchen singen.
Die «Hand Gottes» wird zur Fussball-Legende
Es ist das Jahr 1986. Argentinien spielt im Viertelfinale der Weltmeisterschaft gegen England. Das Aztekenstadion in Mexiko-Stadt ist mit über hunderttausend Fans gefüllt. Gebannt verfolgen sie die Szene vor dem englischen Tor in der 51. Minute.
Die Fussball-Legende Diego Maradona und der englische Torhüter Peter Shilton springen zeitgleich in die Luft, um den Ball an sich zu nehmen. Maradona lenkt den Ball mit seiner linken Hand ab – und er fliegt ins Tor. 1:0 für Argentinien.
Das Tor löst Empörung und Proteste aus; die Fernsehbilder zeigen klar ein Handspiel. Doch der Schiedsrichter Ali Bin Nasser übersieht das Foul und lässt das Tor gelten.
Das Tor ging in die Fussballgeschichte ein und noch heute sprechen Fussball-Fans von der «Hand Gottes». Dieser Ausdruck rief der Fussballer selbst ins Leben als er nach dem Spiel in die Kamera sagte: «Es war ein bisschen Maradonas Kopf und ein bisschen die Hand Gottes.» In seiner Autobiografie schrieb er später gar, dass er das erste Tor mit der Hand seinem zweiten Tor in diesem Spiel vorziehe.
Das «Tor des Jahrhunderts»
Auch Maradonas zweiter Treffer hat in gewisser Art und Weise mit Zufall zu tun und war genauso legendär. Der Ball landete nach 11 Sekunden und sagenhaften 11 Ball-Berührungen im Tor. Direkt davor hat Bin Nasser, der tunesische Schiedsrichter, ein Foul an einem Engländer nicht gepfiffen.
Der Treffer wurde später auch zum «Tor des Jahrhunderts» gekürt.
Die beiden Fehler des Schiedsrichters ermöglichten Argentinien den 2:1-Sieg und ebneten den Weg zum WM-Titel. Wie es der Zufall (und das fussballerische Können der Argentinier) so wollen, bezwingen die Südamerikaner auch Belgien im Halbfinal und Deutschland im Final und feiern so ihren zweiten Weltmeistertitel.
Übrigens hat Bin Nasser sich an dieser Verkettung von Zufällen später noch eine goldene Nase verdient. Im November 2022 bot er den Spielball an einer Auktion an und kassierte 2,3 Millionen Euro. Böse Zungen könnten sagen, er habe seine Fehler im Spiel von 1986 vergoldet.
Des einen Freud ist des anderen Leid
Der Zufall prägte auch den sportlichen Erfolg der ehemaligen Snowboarderin Tanja Frieden. Es ist das Final im Snowboardcross an den olympischen Spielen in Turin. Wir schreiben das Jahr 2006.
Die damals 30-jährige Bernerin tritt gegen die deutlich bessere Rivalin Lindsey Jacobellis aus den USA an. Das Glück schien vorerst nicht auf Friedens Seite, die Chancen der Amerikanerin standen deutlich besser. Doch Übermut kommt vor dem Fall. Wortwörtlich.
Es war der entscheidende, letzte Sprung. Die Favoritin aus den USA wollte nochmals zeigen, was sie drauf hat: Kurz vor Schluss setzte Jacobellis zu einer Showeinlage an und stürzte prompt.
So hielt die Schweizerin am Ende ganz unverhofft ihre erste – und letzte – Gold-Medaille ihrer Karriere in den Händen. Bei Lindsey Jacobellis klappte es 16 Jahre später dann auch noch – an den olympischen Spielen in Peking holte sie Gold, und zwar ganz ohne Showeinlage kurz vor dem Ziel.