Wenn du schon eine Sendung über Männerfreundschaften gemacht hast, musst du auch eine Sendung über Frauenfreundschaften machen, haben sie gesagt. Also gut. Ich habe mich schlau gemacht - und als Erstes gedacht: «Mannomannomann...»
Von der Antike bis zur Aufklärung sind Freundschaften als reine Männersache angeschaut worden.
Erst verkannt...
Einerseits erstaunt es mich nicht. Wenn Frauen schon als zu doof für alles mögliche befunden worden sind, warum dann nicht auch für Freundschaft. Frauen sind daheim, kümmern sich um Küche und Kinder, also erleben sie nichts, worüber es sich lohnen würde, zu berichten.
Die grossen Denker der Antike haben zwar über die Freundschaft nachgedacht und Schönes dazu gesagt. Gemeint waren aber Männerfreundschaften. Hier ein Zitat des griechischen Philosophen Aristoteles:
Ein Leben ohne Freunde ist ein gescheitertes Leben.
Im alten Rom dachte Cicero darüber nach, was ein Freund ist. Betonung auf Freund, nicht Freundin.
Was ist ein Freund? Ein anderes Ich, zwei Seelen in einer.
So richtig deutlich drückt es der Philosoph Michel de Montaigne aus:
Hinzu kommt, dass in Wahrheit das geistige Vermögen der Frauen gewöhnlich den Anforderungen des engen Gedankenaustauschs und Umgangs nicht gewachsen ist, aus denen der heilige Bund der Freundschaft hervorgeht; auch scheint ihre Seele nicht stark genug, den Druck eines so fest geknüpften und dauerhaften Bandes zu ertragen.
Auch beim Soziologen Simmel wird klar: Männer und Frauen sind punkto Freundschaft anders veranlangt - beziehungsweise sind Frauen weniger fähig dazu.
Frauen sind der Freundschaft im allgemeinen weniger zugänglich als Männer (...) weil sie das unindividuellere Geschlecht sind.
...dann verklärt
Nur weil die einen Frauen der Freundschaft nicht für fähig hielten und die anderen nicht hinsahen, bedeutet dies nicht, dass Frauen keine Freundschaften zueinander pflegten.
Dies zeigen die Studien der Historikerin Carroll Smith-Rosenberg, die Briefe von Freundinnen analysiert hat:
Die Frauenfreundschaften des 19. Jahrhunderts sind ein exzellentes Beispiel für ein historisches Phänomen, worüber die meisten Historiker etwas wissen, wenige gross darüber nachgedacht haben und nahezu niemand darüber geschrieben hat.
Mittlerweile würden Freundschaft an weiblichen Werten gemessen, sagt Freundschaftsforscher Steve Stiehler. Männerfreundschaften würden zu unrecht als weniger intim gelten, weil weniger über Emotionen gesprochen wird. Anders die typischen Frauenfreundschaften, in denen Emotionen und tiefe Gespräche im Vordergrund stehen.
Bei Freundschaften gelten heute weibliche Massstäbe.
Auch die österreichische Psychologin und Psychotherapeutin Eva Jäggi beobachtet Ähnliches.
Die verlogene, heimlich rivalisierende Damenkränzchen-Freundschaft ist vorbei (...), zumindest ist das Klischee darüber nicht mehr erlaubt. Frauenfreundschaften erscheinen nun - und vielleicht ist dies auch nur ein Klischee - als beneidenswerte Möglichkeit der Selbstfindung.
Quatsch bleibt Quatsch
Weder waren Frauen unfähig, Freundschaften einzugehen und zu pflegen, noch sind klassische Männerfreundschaften die schlechteren, wo eher Aktivität und weniger intime Gespräche im Vordergrund stehen.
Statt die beiden Arten der Freundschaft zu beurteilen, macht sich «Input» auf die Suche nach den Eigenheiten, räumt mit Klischees auf und zeigt, was wir voneinander lernen können.
Frauenfreundschaften: Erst verkannt, dann verklärt.
Am Sonntag, 19.8. um 20.03 auf Radio SRF 3 und danach als Podcast erhältlich.
Männerfreundschaft: Ein Hoch auf die Bromance!
Hier gibt's den kompakten Podcast und hier die ausführliche Inputsendung.