Ein 8-jähriges Mädchen schaut sich im Fernsehen die Spiele der Nati an der Europameisterschaft der Frauen an. Schertenleib, Wälti oder Xhemaili heissen die neuen Idole. Ihre Mutter will das Mädchen daraufhin beim lokalen Fussballverein anmelden. Die Antwort ist aber ernüchternd: «Wir haben derzeit keinen Platz und setzen ihre Tochter gerne auf unsere Warteliste.»
Der Boom im Mädchenfussball ist real – er begann aber nicht erst mit der Euro 2025.
Nachfrage weit grösser als Angebot
«Seit ungefähr zwei Jahren merken wir einen Hype im Mädchenfussball», sagt Isabelle Bauert. Sie ist Präsidentin des Frauenfussballclubs FFC Südost Zürich. «Wir haben derzeit 70 Kinder auf einer Warteliste. Weitere 100 sind in einer Trainingsgruppe, können aber nicht in den Verein aufgenommen werden.»
Es gebe zu wenig Fussballplätze in der Stadt Zürich und zu wenig Trainerinnen. Aufgrund der EM dürfte sich das Problem nach den Sommerferien weiter zuspitzen, weil noch mehr Mädchen mit Fussballspielen beginnen wollen.
Auch Seline Röthlisberger – Präsidentin des Frauenfussballvereins FFV Basel – geht davon aus, dass der Boom erst nach den Sommerferien so richtig zu spüren sein wird. «Wir haben jetzt schon viele Anmeldungen. Derzeit können wir noch allen Mädchen Trainingsmöglichkeiten bieten», sagt Röthlisberger.
Kapazitätsgrenzen bald ausgeschöpft
Allerdings sei auch beim FFV Basel irgendwann die Kapazitätsgrenze erreicht. Sie fordert deshalb, dass mehr Kunstrasenplätze gebaut werden: «Kunstrasen kann auch bei Schnee und Regen bespielt werden. Anders als der Naturrasen braucht ein Kunstrasen keine Erholung. Entsprechend gibt es mehr Platz für Trainings.»
Bei den regionalen Fussballverbänden ist man sich der Problematik bewusst. Beim Fussballverband der Region Zürich heisst es auf Anfrage, dass tatsächlich viele Vereine mehr Anfragen von Mädchen erhalten, als sie derzeit betreuen könnten. Man stehe deshalb im engen Austausch mit Clubs, Gemeinden und weiteren Partnern, um nachhaltige Lösungen zu finden.
«Boom hat auch schöne Seiten»
Der Aargauer Fussballverband AFV kennt bei seinen Mitgliedern noch keine Wartelisten, wie die Verantwortliche für den Frauenfussball Silvia Augstburger auf Anfrage sagt. Allerdings merke man die Euphorie im Mädchenfussball auch schon seit mehreren Monaten: «Im Frühling 2024 waren beim Verband noch 107 Mädchen- und Frauenteams gemeldet. Jetzt sind es bereits 122 Teams.»
Es freut mich natürlich, dass sich so viele Mädchen für Fussball interessieren
Dank der EM könnten es noch mehr Teams werden. Um sich auf den Ansturm vorzubereiten, biete der AFV Kurse für Trainerinnen und Schiedsrichterinnen an. Ausserdem wolle man zusätzliche Kunstrasen bauen.
Bei all den Problemen hat der Boom im Mädchenfussball auch seine schönen Seiten. «Es freut mich natürlich, dass sich so viele Mädchen für Fussball interessieren», sagt Seline Röthlisberger vom FFV Basel. Besonders schön sei, dass die Vorbilder heute nicht mehr Messi oder Ronaldo heissen würden, sondern Riesen oder Schertenleib.
Auch Isabelle Bauert vom FFC Südost Zürich freut sich über den Hype. «Ich hoffe, dass so viele Mädchen wie möglich Fussball spielen können, wenn sie wollen. Sport ist nicht nur wichtig für die Gesundheit, sondern auch für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.»