«Battleborn» ist ein derart verwirrendes, vielschichtiges und experimentelles Gebilde, dass ich in diesem Review sicher einige Aspekte auslassen muss, wenn nicht gar vergesse. Konzentrieren wir uns also auf das Wesentliche. «Battleborn» ist nichts für Spielerinnen und Spieler, die sich gerne alleine durch Games schlagen. Nach einer halben Stunde Spielzeit im Singleplayer habe ich auf den Multiplayer gewechselt und bin dabei geblieben: Zusammen spielt es sich besser, einfacher und deutlich unterhaltsamer.
Pinguin und Dämon-BFF
Kern von «Battleborn» sind 25 Figuren, die eindeutig die Handschrift von Gearbox Software tragen – das Gamestudio, das die erfolgreiche «Borderlands»-Serie entwickelt hat. Dessen Markenzeichen: Comic-hafte, bunte und völlig überdrehte, fast ins Absurde gehende Figuren, Landschaften und Ausrüstungsgegenstände. Dieser Stil findet sich auch in «Battleborn» wieder. Eine kleine Auswahl der Figuren:
- Toby, ein niedlicher Pinguin, der in einem riesigen Kampfroboter sitzt
- Marquis, ein Roboter-Dandy, der eine Eulendrohne in den Kampf schicken kann
- Shayne, die mit ihrem BFF, einem Dämon, und einer Punk-Attitüde in den Kampf zieht
- Miko, ein messerwerfender Heiler und, äh, Pilz
- Thorn, eine zierliche Elfe mit Pfeilbogen und starkem russischen Akzent
Nicht alle dieser Figuren lassen sich von Beginn weg spielen – wir schalten sie frei, indem wir möglichst viel und noch viel mehr spielen. Für mich auch der Hauptgrund, immer wieder zu «Battleborn» zurückzukehren, denn die Figuren sind das faszinierendste am Game. Dass es mit 25 so viele sind, zeigt, dass sich «Battleborn» beim Genre der MOBA s bedient, den «Multiplayer Online Battle Arena»-Games. Typisch sind dort zahlreiche Spielfiguren, die alle ihre sehr spezifischen Eigenschaften und Spielweisen haben.
In «Battleborn» sind sie besonders originell: Jede Figur bewegt sich unterschiedlich, gestikuliert anders – und spricht mit superber Stimme. Ich will sie alle kennen lernen, ihre Fähigkeiten meistern, die sie im Kampf einsetzen. Doch das braucht viel Übung, schnelle Entscheidungen und eine grosse Vertrautheit mit der jeweiligen Figur.
Kluges Helix-System
Denn «Battleborn» ist ein wilder Mix aus zahlreichen Game-Genres und bedient sich auch zahlreicher Rollenspiel-Elemente. Hier aussergewöhnlich: Wir verbessern unsere Spielfigur nicht über den Verlauf vieler Spiele hinweg, sondern im Lauf einer einzelnen Spielrunde. Wir beginnen also jeweils bei Level 0, sammeln im Verlauf der Runde möglichst rasch Erfahrung, um beim Maximallevel 10 zu landen. Ist die Runde vorbei, verfällt auch der Levelstand wieder.
Diese Entwicklung läuft über die sogenannte Helix. Bei genügend Erfahrung steigt meine Figur einen Level hoch und wir müssen uns zwischen zwei Verbesserungen entscheiden. Wenn wir bei Level 10 landen, dem Maximum, formen die getroffenen Entscheidungen eine Art DNA-Helix.
Diese Helix ist klug entworfen: Mit zwei Tastaturschlägen treffe ich die Entscheidung, in welche Richtung sich meine Figur entwickelt. Das ist nützlich, da wir während den Kämpfen die Wahl treffen müssen und keine Zeit haben, um uns mit komplexen Figurentwicklungen herumzuschlagen. Trotzdem ist es stressig: Mitten im Kampf Erklärungen zur Helix zu lesen, geht nicht. Um deshalb mit seiner Figur vertrauter zu werden, ihre Helix blind zu kennen, dafür ist der Story-Modus ideal.
Irgendwie gibt’s eine Geschichte
Etwas seltsam zwar kommen die (bislang) acht Episoden von «Battleborn» daher: Acht Geschichten, die fünf Spielerinnen und Spieler gemeinsam online bewältigen. Diese ergeben die Rahmengeschichte.
Sind sie freigeschaltet, können sie in beliebiger Reihenfolge gespielt werden – die Mehrheit der Spielerinnen und Spieler entscheidet, welche Episode als nächstes dran kommt. Das führt zu einer verworrenen Geschichte.
Doch die Inhalte der einzelnen Episode unterscheiden sich nicht gross: Beschütze diesen, begleite jene, überwältige den Endgegner. Und wie das so ist bei Gearbox, ist alles bunt, laut und mit schrägen Dialogen durchsetzt.
Weder die Geschichte noch die Episoden-Ziele sind abwechslungsreich oder spannend – die Kampagnen sind jedoch ideal, um neue Figuren auszutesten, zu probieren, welche einem besonders gut liegt: Die schwerfällige Nahkämpferin oder lieber die wendige Bogenschützin? Zusätzlich sammeln wir in den Episoden Ausrüstung, die wir in künftigen Kämpfen unseren Figuren mitgeben können. Das kann vor allem im zweiten Game-Modus helfen, wenn wir als Team gegen andere Spielerinnen und Spieler antreten.
Explodierende Farbtöpfe
«Battleborn» bietet uns hier drei verschiedene Spielarten an, wie wir gegeneinander antreten können – und adaptiert bekannte Modi aus Online-Schiessspielen:
- In «Capture Maps» müssen wir drei Bereiche erobern und halten, was Punkte gibt. Wer als erstes 1000 Punkte erreicht, hat gewonnen.
- «Incursion» bedeutet, wir müssen zwei Geschütztürme beschützen, während wir die gegnerischen zerstören.
- Wir begleiten in «Meltdown» Miniroboter zu einer Schmelze – was Punkte gibt – und hindern das gegnerische Team daran, dasselbe zu tun.
Auch hier ist der Schwierigkeitsgrad aufsteigend: Wer sich noch nie Online-Multiplayer-Spiele probiert hat, kann sich in «Capture Maps» warm laufen. «Incursion» und «Meltdown» verlangen schon mehr Taktik, Erfahrung und ein gutes Teamspiel.
Wer in keinem fixen Team spielt, dem teilt das System Spielerinnen und Spieler zu. Schade nur, dass das Team am Ende einer Runde aufgelöst wird: In einer Variante von «Capture Maps» hatte ich das Gefühl, dass die Chemie des Teams stimmte, die Figurenwahl aller ideal war. Gerne hätte ich mit diesen unbekannten Personen weitergespielt. Eine kuriose Wahl von Gearbox – in den meisten Online-Schiessspielen bleibt für weitere Runden dasselbe Team zusammen.
Diese Variante von «Battleborn», in der wir gegen andere Leute spielen, braucht viel Zeit: Es dauert, bis das System alle zehn Spielerinnen und Spieler gefunden hat und alle das Schlachtfeld und die Figuren ausgewählt haben. Fünf Minuten Wartezeit ist in der Game-Welt eine Ewigkeit. Doch meist lohnt es sich: Die Matches sind abwechslungsreich, mit einer Viertelstunde und mehr ziemlich lang und vor allem sehr, sehr, sehr farbig. Kocht der Kampf hoch, sieht man zuweilen nur noch bunt und schiesst irgendwie irgendwohin.
Guter Einstieg in Online-Multiplayer-Games
Doch das passt wiederum in den Stil von Gearbox: laut, schräg, absurd. «Battleborn» holt das Genre der Schiessspiele aus seinem ernsten Kriegs-Setting und pflanzt es in eine Welt, die aussieht, als wäre eine Lagerhalle mit Farbtöpfen explodiert. Dabei verwendet es die «Borderlands»-typischen Elemente, die mir als grossem Fan der Reihe sofort gefielen: originelle Figuren, lustige Dialoge, farbenfrohe Comiclandschaften.
Gleichzeitig wirkt «Battleborn» experimentell: Es bedient sich zahlreicher Genres und Spielstilen, um etwas ganz Eigenes zu erzeugen, das sich schwer greifen lässt. Etwas Schiessspiel, etwas MOBA, etwas Rollenspiel – und es braucht Zeit: Es ist ein Game, das sich langsam entwickelt. Es dauert, bis wir die Finessen, Eigenschaften, Möglichkeiten und vor allem die Figuren kennen.
Die Figuren laden zum Weiterspielen ein
Wie bei jedem Genre-Mix läuft auch «Battleborn» Gefahr, zwischen Stuhl und Bank zu fallen. Trotzdem eignet sich das Spiel als Einstieg in die Online-Multiplayer-Welt: Im Kampagnenmodus lassen sich Figuren und Spielgefühl testen, bevor man sich mit den «Capture Maps» in Player-versus-Player-Kämpfe wagt.
Der Entwickler Gearbox hat mit «Battleborn» den Mut, etwas ganz Neues zu entwickeln, so, wie das etwa Nintendo mit « Splatoon » probiert hat. «Battleborn» steht deshalb etwas unbeholfen und quer in der Game-Landschaft. Trotzdem zieht es mich zum Game zurück: Ich möchte noch einige Figuren mehr frei spielen, etwa Galilea oder Toby, die beide viel Spielzeit benötigen, bis ich sie endlich wählen darf.
«Battleborn» ist ab 16 Jahren und läuft auf Windows-PC, der Playstation 4 und der Xbox One.