Frage: Bist du dir nicht zu schade, um auch einmal mit anzupacken? Scheust du keine harte Arbeit und bist gerne in der freien Natur? Stehst du auf grosse Maschinen? Würdest du dich als teamfähig bezeichnen? Und kannst du's gut mit Zahlen? Dann habe ich hier einen Game-Tipp für dich.
Zählen die oberen Attribute nicht zu deinen Stärken? Aber interessiert du dich für die Gaming-Szene? Dann folgt hier ein Lehrstück in Schweizer Gaming-Kultur.
Wir sind König der Berufssimulation
Simulationsspiele wie beispielsweise « Simcity » sind seit jeher fester Bestandteil der Game-Welt. In sogenannten Manager- oder Wirtschaftssimulatoren kann man Fussballvereine, Firmen oder ganze Staaten lenken und ihnen zu möglichst viel wirtschaftlichem Erfolg verhelfen.
Nicht ganz so selbstverständlich konnte sich die kleine Nische der Berufssimulationsspiele in der Gaming-Community etablieren. Ein in den letzten Jahren oft belächeltes Genre, dessen Verkaufszahlen allerdings eine deutliche Sprache sprechen.
Ein Parade-Beispiel für solche Simulatoren: Der «Landwirtschafts Simulator». Ein Berufssimulator, der seine Anfänge vor über 10 Jahren in Schlieren (ZH) fand. Als Vorlage galt damals der 2004 erschienene «SimTractor» . Ein Spiel, das laut den Entwicklern von Giants Software , mehr schlecht als recht funktionierte. So beschloss das Zürcher Entwicklerteam eine eigene, bessere Version davon zu schaffen.
Genau darauf schienen damals unzählige Simulations-Freunde gewartet zu haben. Denn bereits die erste Ausgabe, der «Landwirtschafts Simulator 08», erfreute sich einer grossen Anzahl Fans, die sich quer über den ganzen Globus verstreuten.
Vom Nischenprodukt zum Massenmarkt
Nur wenige Jahre später waren Berufssimulatoren auf dem Massenmarkt angekommen. So wollten schon bald alle ein Stück vom Kuchen haben und Simulationen aller Art entstanden. Egal, ob man als Kind vom Feuerwehrmann-Dasein geträumt hat oder schon immer einen Hubstapler fahren wollte; heute können dank dem Simulatoren-Boom eigentlich fast alle Berufswünsche erfüllt werden.
Oft leiden diese Simulatoren an denselben Kinderkrankheiten: Eintönige Aufgabenstellung, schlechte Grafik und eine mangelhafte Physik, die den faden Beigeschmack eines notdürftig zusammengeschusterten Spiels hinterlassen. Doch all dies stört echte Berufssimulations-Freunde nicht, denn ihnen ist anderes wichtig.
Und so ertragen die Freunde der Berufssimulationen seit Jahren stoisch sämtliche Kritik. Sie leben sogar mit der Tatsache, dass ausgerechnet der « Goat Simulator » eines der bestbewerteten Simulationsspiele ist. Noch einmal: Der «Goat Simulator», in dem wir eine Ziege spielen, die mit ihrer wild gewordenen Zunge Trucks über die Straße zieht.
Ein Spiel, das voll von Fehlern ist und sich damit über ein ganzes Genre lustig macht, ohne sich selbst auch nur im Ansatz ernst zu nehmen.
Glänzende Kinderaugen
Doch nun zu dem, um das es den Simulatoren-Fans wirklich geht: die Maschinen. Detailgetreue Nachbildungen der Originale, die aufgrund von zahlreichen Lizenzverträgen tatsächlich sehr realistisch daherkommen.
Wer die Abnehmer dieser Games sind lässt sich denn auch einigermassen klar umreissen: Männer! Das demografische Bild teilt sie dabei in zwei Gruppen: Männer über 35, die emotional oder beruflich mit dem Inhalt des Simulators verbunden sind. Oder Jungs zwischen 8 und 12, die fasziniert sind von der Idee, solche grossen Maschinen fahren zu dürfen.
Ein Muster, das international zu gelten scheint. Denn egal ob in Deutschland, Osteuropa (wo Polen als grösster Abnehmer gilt), Japan oder der Türkei, überall die gleiche Demographie.
Der Landwirtschafts Simulator 17
So erfreut sich auch der neuste Ableger aus dem Hause Giants über eine treue Anhängerschaft, die genau weiss, was sie erwartet. Ein weiterer «Landwirtschafts Simulator» für die eingefleischte Fangemeinde, der von allem etwas mehr bietet (Grafik, Physik, Fuhrpark, etc.) und dabei trotzdem der Gleiche geblieben ist.
Böse Zungen behaupten, der LS 17 habe sich im Vergleich zu seinem Vorgänger dem LS 15 (alle 2 Jahre kommt eine mobile Version dazwischen), kaum verändert. Doch die Community freut sich online in zahlreichen Foren, in denen der wirklich engagierte Simulationsspieler natürlich aktiv mitdiskutiert, über jedes noch so kleine Detail.
Zum Beispiel darüber, dass die Warnblinker nun weiter blinken, wenn der Motor ausgeschaltet ist. Oder darüber, dass alle drei Standard Häcksler an die grossen Kipper von Joshkin oder Krone passen. So betrachtet ist die Liste der Neuerungen natürlich lang. Nicht zuletzt, weil noch nie so viele Fahrzeuge zur Auswahl standen.
Nichts ist umsonst
Um uns den über 250 Teile starken Fuhrpark des «Landwirtschaft Simulator 17» (Stück für Stück) leisten zu können, müssen wir viel Geld hinblättern. Gar nicht so einfach, denn wir sind Bauern. Und die sind nicht dafür bekannt, im Geld zu schwimmen. Sondern bloss dafür, hart zu arbeiten.
Und so passiert, was passieren muss (Achtung Spoiler!): Trotz harter Arbeit verschulden wir uns, um in einen ersten Kuhstall zu investieren. Da Kühe aber nicht nur einen Haufen Geld kosten, sondern auch viele Haufen Heu fressen, investieren wir bald in zusätzlich in einen grossen Fuhrpark und stecken so bald noch tiefer im Finanzloch.
Heisst: Wir müssen noch härter arbeiten, um mit noch mehr Kühen noch mehr Geld zu verdienen. Kühe, die dann wiederum noch mehr Heu fresse, weshalb wir noch mehr Geld brauchen, um noch mehr Kühe... Teufelskreis.
Gut hat man gute Freunde
Das Schöne am Game ist aber, dass wir nicht alleine sind! Eine grosse Gemeinschaft hilft uns dabei, mit all der Arbeit fertig zu werden. Denn seit 2011 kann man den «Landwirtschats Simulator» auch Online zusammen mit anderen Fans spielen.
So muss man gar nicht alle Fahrzeuge selbst finanzieren, sondern kann sie von den netten Nachbarn ausleihen, die auch schon mal höchstpersönlich zum mitanpacken vorbeischauen.
Arbeitsteilung heisst hier das Stichwort. Denn während der eine mit seiner gewaltigen New Holland CR10.90 Erntemaschine über die Felder holpert, lädt ein zweiter Bauer die Ernte in seinen Krampe Bandit SB 30/60 und fährt mit seinem gigantischen 59'000 Liter Anhänger zum Silo. Für Landwirtschafts-Simulatoren-Freunde ist das pure Entspannung.
Selbst ist der Bauer
Wer sich also an den «Landwirtschafts Simulator» wagt, muss wissen, dass das vor allem eine ganze Menge Arbeit bedeutet. Wem das nicht passt, soll bitte jenen die Freude lassen, die gerne mit anpacken. Denn das Publikum ist gross und genügsam. Selten hört man einen «Landwirtschafts Simulator»-Fan über irgendetwas nörgeln. Denn was nicht passt, wird passend gemacht.
-So läuft das nun mal – nicht nur auf realen, sondern auch auf virtuellen Bauernhöfen. Darum kümmert sich eine grosse Modding Community um Verbesserungen und Liebhaberdetails aller Art. Private Tüftler schreiben Programme, welche den Landwirtschafts Simulator ergänzen. Beispielsweise mit einer Mod, die das Wackeln im Traktor simuliert. So fahren sich endlich nicht mehr alle Fahrzeuge, als wären sie ein Schiff. Andere Mods sorgen für Lichtsysteme für die Stallanlagen oder für einen Ferrari.
Und wenn wir gerade von Mods sprechen, diese kleinen aber feinen Erweiterungen, welche ein schier grenzenloses Repertoire an Möglichkeiten eröffnen, dann muss folgendes herausgehoben werden: Grosse Entwicklerfirmen wie beispielsweise Bethesda versprechen seit Jahren, Mods auch auf Konsolen zuzulassen. Doch trotz millionenschweren Entwicklungsbudgets waren das bisher nie mehr als leere Versprechen. So war es also tatsächlich der Schweizer «Landwirtschafts Simulator», der als erstes Game überhaupt Mods auf Konsolen ermöglichte. Chapeau!