An einem Herzinfarkt sterben heute noch etwa 12% der Betroffenen : Dank besseren Behandlungsmöglichkeiten und einer raschen Alarmierung hat die Sterblichkeit in den letzten Jahren massiv abgenommen. Noch 2006 überlebte etwa ein Viertel den Herzinfarkt nicht.
Die gute Entwicklung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Herzinfarkt ein Ereignis ist, das für die Patientinnen und Patienten ein einschneidendes und oft traumatisierendes Ereignis ist. Vor allem, wenn sie nicht einer klassischen Risikogruppe angehören.
Wie zum Beispiel Mike Kopfmann, schlank, Nichtraucher. Er achtete immer auf seine Gesundheit - und hatte dennoch mit jungen 38 Jahren einen Herzinfarkt. Wie aus dem Nichts. Schnell war er im Spital, eine Stütze ( Stent ) wurde «ruckzuck» im verstopften Gefäss «verlegt» – soweit, so gut.
Aber während der Rehabilitation hatte Mike Kopfmann dann oft «schwarze und sehr dunkle Gedanken». Endloses Grübeln über die Gründe, wieso gerade er einen Herzinfarkt hatte und darüber, was das Schicksal nun noch alles mit ihm vorhabe, machten ihm immer wieder zu schaffen. Dazu kamen Schuldgefühle: «Wieso habe ich überlebt – und wieso überlebt ein 5-jähriges Kind einen Verkehrsunfall nicht?»
In solchen Phasen wäre er morgens am liebsten einfach im Bett liegengeblieben, «da wollte ich nicht weitermachen, hatte keine Lust mehr».
Ein Herzinfarkt ist ein Schockerlebnis
Für
Kardiopsychologin
Sara Heer vom Inselspital Bern ist dieser Zustand typisch für viele Herzinfarkt-PatientInnen: Etwa 70% erlebten einen Herzinfarkt als stark bedrohlich - und etwas mehr als die Hälfte hätten danach sogar Symptome starker Ängste und Depressivität.
«Ein Herzinfarkt ist ein Schockerlebnis, er verunsichert Betroffene und nimmt ihnen das Vertrauen in ihren Körper», sagt Sara Heer. Und wer einen Herzinfarkt hatte, ohne einer Risikogruppe anzugehören, hat ein besonders grosses Gefühl der Hilflosigkeit und Erschütterung.
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Diese Erschütterung erlebte auch Margrit Wyss nach ihrem Herzinfarkt am 20. Juli 2020, ein Tag, den sie nicht mehr vergisst. «Es war, als wenn mir der Boden unter den Füssen weggezogen wurde», sagt die damals 62-jährige schlanke, sportliche und gesunde Frau.
Nach dem Vorfall sass sie abends oft «wie paralysiert» im Wohnzimmer, grübelte vor sich hin, strickte oder las ein Buch - aber die Energie und Lebenslust des Lebens vor dem Herzinfarkt war weg.
Medikamente und Therapien als Belastung
Heute hat sie «den Boden» wieder unter ihren Füssen. Hilfe fand sie bei einer Kardiopsychologin, die ihr half ihr, aus dem Grübeln herauszukommen, herauszugehen und «wieder was zu machen», regelmässig mehrere Kilometer zu laufen beispielsweise.
Und: «Ich habe mir das schönste Tabletten-Truckli gekauft, das es gibt. Das tat meiner Psyche gut!»
Jeden Tag einen Medikamenten-Cocktail einnehmen zu müssen, belaste sie bis heute enorm. Da werde man eben jeden Tag daran erinnert, dass man nicht mehr gleich gesund ist wie vor dem Herzinfarkt.
Das geht auch Mike Kopfmann so: «In den letzten sechs Jahren habe ich rund 15’000 Tabletten eingenommen – das erinnert mich jedes mal an den Herzinfarkt. Und das hat einen Einfluss auf die Psyche».
Bei ihm kommt erschwerend hinzu, dass er einen Defibrillator implantiert hat, weil seit dem Herzinfarkt sein Herz theoretisch jede Sekunde stehen bleiben kann. In so einem Moment könnte der Defibrillator sein Leben retten.
Nützlich ist die Technologie auch für den Kardiologen, bei dem Mike Kopfmann in Behandlung ist. In regelmässigen Abständen sendet ein mit dem Internet verbundenes Gerät Daten, dank denen der Spezialist sehen kann, ob das Herz seines Patienten beispielsweise in der Nacht Aussetzer hat. So kann er ihn bei Bedarf eine Untersuchung in der Klinik anordnen. Aber auch dieses Hightech-Gerät ist natürlich neben den Medikamenten eine Routine mehr, die Mike Kopfmann regelmässig an den Herzinfarkt erinnert und auch daran, dass er jederzeit nochmals einen haben könnte.