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Kinderfussball «Play more Football»: Fehlt unseren Shaqiris von morgen der Biss?

Keine Sieger, keine Tabelle: «Play more Football» setzt im Kinderfussball auf Spass am Spiel, statt auf Leistungsdruck. Wie das Konzept des Schweizerischen Fussballverbands funktioniert und wo dabei der Leistungsgedanke bleibt.

Ob im EM-Final vor einem Millionenpublikum oder beim Strassenkick im Quartier: Wer Fussball spielt, möchte gewinnen.

Beim Konzept «Play more Football», das der Schweizerische Fussballverband (SFV) im Kinderfussball eingeführt hat allerdings, gibt es keine offiziellen Resultate und Tabellen – zumindest nicht in den Nachwuchsstufen E, F und G. Dafür sind bei den fünf- bis zehnjährigen Kindern neue Spielformate im Einsatz.

Das Fussballkonzept «Play more Football»

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Mit «Play more Football» verfolgt der Schweizerische Fussballverband im Kinderfussball klare Ziele:

Mehr Ballkontakte: Viele Spieleinsätze verbessern die technischen Fähigkeiten der Spieler.

Mehr Spielintelligenz: Verschiedene Spielformate, Spielsituationen und damit verbundene Entscheidungsprozesse fördern taktische und kognitive Fähigkeiten.

Mehr Spass: Die spielerische Herangehensweise sorgt für Freude und erhöhte Motivation.

Mehr Integration: Die Teilnahme möglichst vieler Kinder mit unterschiedlichen Leistungsniveaus wirkt integrativ.

Mehr Bewegung: Höhere Einsatzzeiten tragen zur Gesundheit und Fitness der Kinder bei.

«Wir möchten verhindern, dass Kinder mit Fussballspielen aufhören, weil sie zu wenig zum Zug kommen», sagt Dominik Müller, beim SFV für den Kinderfussball zuständig. «Ziel ist es, auch die weniger dominanten Spieler oder jene, die körperlich noch nicht so weit entwickelt sind, besser einzubeziehen.»

Mehr Spielfreude, weniger Druck im Kinderfussball

Bei «Play more Football» geht es unter anderem um altersgerechte Spielformen auf dem Kleinfeld (ca. 20x15m). «Beim Spiel 2 gegen 2 oder 3 gegen 3 entstehen laufend neue Situationen, die es zu meistern gilt», erklärt Müller. Der Clou: Die Kinder greifen auf zwei Tore an, zwei weitere Tore müssen sie verteidigen. «Das fördert Technik und Spielintelligenz.»

Zwei Kinder spielen gegeneinander Fussball.
Legende: Kicken auf Kleinfeld: Bei den neuen Spielformaten müssen die Kinder laufend auf neue Spielsituationen reagieren. KEYSTONE/Manuel Lopez

Ab der Stufe F wird auch 4 gegen 4, ab der Stufe E dann 6 gegen 6 auf dem Grossfeld (ca. 25x20m) gespielt. Mit dem Wechsel zu den D-Junioren startet der Meisterschaftsbetrieb – erst mit 7ner-, dann mit 9er-, ab der C-Stufe mit dem 11er-Fussball auf dem Grossfeld.

«Play more Football»: Zum Beispiel beim FC Männedorf

«Erst war ich skeptisch», sagt Nick Ernst, der beim zürcherischen FC Männedorf die Umsetzung von «Play more Football» verantwortet. «Bald aber habe ich realisiert, dass die Kinder von den neuen Spielformen profitieren.» Auch die Trainerinnen der E-Juniorinnen, Yasmin Akin und Selina Zwimpfer sind begeistert: «Auf dem Kleinfeld sehen wir besser, wie sich die einzelnen Spielerinnen verhalten», sagt Akin. Zwimpfer: «So können wir gezielter an deren Stärken und Schwächen arbeiten.»

Und was sagen die Kinder? «Grossfeld ist uns lieber», so das Feedback der Spielerinnen Leni und Jennifer. Bei den Jungs klingt es ähnlich. «Grössere Tore gefallen mir besser», sagt Diego. Men-Andri ergänzt: «Dafür ist das Kleinfeld gut für die Kondition, man ist immer in Bewegung.» Dass es keine Ranglisten gibt, stört den Nachwuchs nicht.

Wo bleibt der Leistungsgedanke in der Nachwuchsförderung?

Im Kinderfussball steht der Spielspass im Vordergrund. «Erlebnis vor Ergebnis», lautet das Credo des Fussballverbands. «Sich zu früh an Ranglisten und Resultaten zu orientieren, ist nicht sinnvoll», sagt Dominik Müller vom SFV.

Das Fussballland Schweiz

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In der Schweiz gibt es rund 1350 Fussballvereine, die dem Schweizerischen Fussballverband angehängt sind. Gesamthaft zählt der Verband über 338'000 lizenzierte Spielerinnen und Spieler, zwei Drittel davon sind Kinder und Jugendliche.

Der Anteil an Fussballerinnen beträgt rund 11 Prozent (Stand Juni 2024). Fast 66 Prozent der Spielerinnen und Spieler haben den Schweizer Pass. In der Saison 2023/2024 rannten hierzulande Menschen aus gesamthaft 178 Nationen dem Ball nach. Den grössten Anteil ausländischer Kicker in der Schweiz stellt Portugal (18'488), gefolgt von Italien (17’125) und Kosovo sowie Frankreich (8318/8298).

In der Saison 2023/2024 fanden auf Schweizer Fussballplätzen 84'095 Spiele statt. Dabei endeten nur rund 2000 Spiele torlos. Etwa 6’900-mal gab es ein 2:1 oder ein 1:2 – die Resultate, die am häufigsten vorkommen.

«Geht es um etwas, kann es sein, dass die Trainer nur die Besten spielen lassen.» Genau das möchte der Verband mit «Play more Football» verhindern.

Die Kinder geben auch so alles und wollen immer gewinnen.
Autor: Dominik Müller Leiter Kinderfussball Schweizerischer Fussballverband

Mehr Breite, mehr Wohlfühlen, weniger Druck – wo bleibt da der Leistungsgedanke? Bringen unsere Shaqiris und Xhakas von morgen noch den nötigen Biss und Siegeswillen auf den Platz? «Keine Sorge, die Kinder geben auch so alles und wollen immer gewinnen.» Die langfristige Entwicklung sei viel wichtiger als der kurzfristige Erfolg, betont Müller.

Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka bejubeln gemeinsam ein Tor der Schweizer Fussballnationalmannschaft.
Legende: Starke Generation: Wer folgt in der Schweizer Fussballnationalmannschaft dereinst auf Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri? Keystone/PETER KLAUNZER

Eine landesweit einheitliche Nachwuchsförderung ist die Basis erfolgreicher Fussballgenerationen. «Beim SFV hoffen wir natürlich auch, dass wir künftig in der Schweiz viele kreative Talente haben werden – auch dank 'Play more Football'.»

Radio SRF 3, 04.07.2024, 06:40 Uhr ; 

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