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Korrespondenten erzählen Europäer sind als «Drecksschleudern» bekannt

Obwohl die Schweiz bereits vor Corona in Sachen Hygiene als sauber galt, wird unser Verhalten im Nahen Osten belächelt – vor allem, was unseren Umgang mit dem Allerwertesten betrifft.

Über 20 Kilogramm Toilettenpapier verbraucht ein Durchschnittsschweizer pro Jahr. Im europäischen Vergleich liegen wir damit ganz weit vorne. Zu Corona-Zeiten hat sich aber in ganz Europa dasselbe Bild gezeigt: Wo sonst im Supermarkt WC-Papier zu finden war, waren nur noch leere Regale übrig. Ganz anders das Bild im Nahen Osten.

Ein Duschschlauch für den Allerwertesten

«Dass in Europa plötzlich alle WC-Papier gehamstert haben, finden die Araberinnen und Araber unglaublich lustig», sagt Susanne Brunner, SRF-Nahostkorrespondentin, die in Amman zu Hause ist. Denn im Nahen Osten findet man das WC-Papier gar nicht mal so nötig. Der Grund: Die Araber spritzen ihren Po nach dem Geschäft mit einem Duschschlauch ab. Das Papier dient dabei lediglich zum Abtrocknen.

Dass in Europa plötzlich alle WC-Papier gehamstert haben, finden die Araberinnen und Araber unglaublich lustig.
Autor: Susanne Brunner SRF Nahostkorrespondentin

Das Problem mit der Infrastruktur

Wir bleiben beim Thema WC: Auf Wasser setzen statt auf WC-Papier funktioniert gut im Nahen Osten – bis das Wasser knapp ist. Und in Jordanien ist das öfters mal der Fall. Darum ist Susanne Brunners Motto bei öffentlichen Toiletten «Verhebs, wennd chasch» – denn dort fehlt es oft an Wasser und wenn es hat, dann ist der Duschschlauch nicht besonders sauber.

Wenn ich nicht zu Hause bin, ist das Motto ''verhebs, wennd chasch''
Autor: Susanne Brunner SRF Nahostkorrespondentin

Auch das System in Russland hat seine Tücken: Dort wird das gebrauchte WC-Papier in Abfalleimer geworfen, sonst verstopft es die Kanalisation. «Das passiert sogar in ganz edlen Restaurants in der Altstadt von Moskau», sagt David Nauer. Denn da stamme die Kanalisation aus der Zarenzeit, also ungefähr aus dem 17. Jahrhundert.

Zu Hause wird die Kleidung komplett gewechselt

Auch die Russinnen und Russen haben auf ihre Art einen Hygienefimmel. «In Russland gibt es eine klare Trennung in Sachen Hygiene von Draussen und Drinnen.» Im öffentlichen Gebäuden, wie beispielsweise in Spitälern, werden die Schuhe mit Plastikfolien geschützt. Wer ein Restaurant besucht, muss am Eingang aus hygienischen Gründen den Mantel abgeben.

«Ich kenne viele Russinnen und Russen, die ziehen sich, wenn sie nach Hause kommen, immer direkt um», erzählt David Nauer. Das habe vor allem damit zu tun, dass die russische Bevölkerung den Aussenraum als sehr dreckig wahrnehme. Dabei sei es laut Nauer besonders in Moskau vielerorts sauberer als in manchen westeuropäischen Städten.

Ich kenne viele Russen die ziehen sich, wenn sie nach Hause kommen, immer direkt um.
Autor: David Nauer SRF Russland Korrespondent

Genauso sei dies der Fall in Jordanien, sagt Susanne Brunner. Es gehe sogar noch weiter: «Die Leute ziehen alles aus, gehen duschen und es darf danach nicht ein einziges Kleidungsstück erneut getragen werden.»

Warum? Unsere Korrespondenten vermuten einen politischen Hintergrund: Schliesslich haben in ihren Ländern die Menschen kaum Möglichkeiten mitzubestimmen, was draussen passiert. Der eigene Innenraum gilt darum als Paradies, wo man selbst walten kann, wie man möchte.

Vorurteile wegen Kolonialzeiten

Apropos Kleiderwechseln und Duschen, da folgt gleich das nächste Vorurteil gegenüber den Westlern. Duftet ein Europäer nach Parfüm, ist das im Nahen Osten nämlich ein Zeichen von «französisch duschen». Ein parfümierter Westler ist also schmutzig, während parfümierte Jordanier und Jordanierinnen frisch aus der Dusche kommen.

Nicht nur deshalb gelten die Europäer als dreckig. Laut den Menschen im Nahen Osten holte Kolumbus bei seinen Entdeckungen viel Dreck in andere Länder. Genauso taten es ihm weitere Europäer, die mit ihren Schiffen in andere Länder gelangten, gleich.

SRF Global, Freitag 27. August 2021, 14:43 Uhr ; 

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