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Dan Reynolds von Imagine Dragons frohlockt im Stadion Letzigrund
Legende: Kaum jemand im Popgeschäft zeigt sich so dankbar an seinen Konzerten wie Dan Reynolds von Imagine Dragons. Dabei scheint er fast ein wenig zu vergessen, sich und seine Band zu feiern und verpasst es darum, sein Publikum vollends mitzureissen. Marco Masiello

Bericht aus dem Letzigrund Nichts ist so ungefährlich wie ein Konzert von Imagine Dragons

Das Konzert von Imagine Dragons am Auffahrts-Donnerstag im Zürcher Stadion Letzigrund war laut den Veranstaltenden mit knapp 48'000 Eintritten ausverkauft. Das Trio aus Las Vegas um Fronthüne Dan Reynolds spielte fast zwei Stunden und tauchte das Stadion dabei in die grellsten Varianten sämtlicher Farben – und blieb trotzdem schrecklich eintönig.

Schimun Krausz

Musikredaktor

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Schimun Krausz schreibt Texte und produziert Videos zu Musikthemen bei SRF 3, Social Media inklusive. The 1975 ist die beste Band der Welt und er lässt keine andere Meinung zu (also bis Frontmann Matty Healy sich endgültig ins gesellschaftliche Abseits gelabert hat).

SRF 3 Musik

Und zwar aus folgenden drei Gründen:

1. Sie sind viel zu bescheiden

«Wir wünschen uns für heute nur eines», sagt der 37-jährige Sänger nach den ersten paar Liedern, «nämlich, dass ihr euch gehen lassen könnt.» Ein schöner Vorsatz, dessen Bedeutung allerdings mit jeder in eine ähnliche Richtung zielenden Ansage und Danksagung verwässert wird und irgendwann mehr einstudiert als ehrlich wirkt.

Dan Reynolds von Imagine Dragons singt im Stadion Letzigrund
Legende: Gitarrist Wayne Sermon, Sänger Dan Reynolds und Bassist Ben McKee (von links) fahren per Lift auf die Bühne. Weil ihr früherer Drummer Andrew Tolman (nicht im Bild) nur noch auf Tour, aber nicht mehr fix in der Band trommelt, muss er selbst auf die Stage laufen. Marco Masiello

Dabei darf man Reynolds und seiner Truppe durchaus glauben, dass sie dankbar sind für das, was sie ihren Job nennen dürfen. Aber sie spielen diese Woche zweimal im vollen Letzi und gehören zu den meistgestreamten Artists der Welt – das sollte auch mal abgefeiert werden, statt sich durchwegs bescheiden zu geben und sich damit etwas unglaubwürdig zu machen.

Leichtfüssiger Support mit schwerem Stand

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Declan McKenna auf der Bühne in Mailand
Legende: Declan McKenna supportet Imagine Dragons aktuell auf Tour. Hier ist er beim Gig in Mailand am Dienstag zu sehen. Imago/Maria Laura Arturi

Support-Acts haben es bei Stadion-Gigs selten leicht. Declan McKenna wehte im Letzi aber ein besonders rauer Wind entgegen. Respektive: Ein sehr kühler, obwohl die Sonne noch ordentlich brannte.

Die Hände waren höchstens in der Luft, wenn die Leute ihren Friends signalisieren wollten, wohin sie die Pommes liefern sollen. Immerhin klatschten sie am Ende der eigentlich ansteckenden Indie-Songs des Engländers – wir sind ja hier immerhin noch in der höflichen Schweiz.

Dabei brachte der 26-Jährige eine unbekümmerte Dringlichkeit mit nach Zürich, wie man sie beispielsweise von den frühen Kooks kennt. Sogar David Bowies «Heroes» coverte er. It‘s not you, Declan, it‘s them – die Schnittmenge zwischen seinen Fans und denen von Imagine Dragons scheint nicht allzu existent zu sein.

Ein Rockstar-Klischee steht jedoch fix auf der Setlist: Pünktlich nach einer Stunde trennt sich der Frontmann von seinem Oberteil. Aber nicht als Befreiungsschlag im Moment, sondern als geplante Demonstration des Ergebnisses unzähliger Stunden im Gym. Er tut das auch konsequent in den Musikvideos seiner Band sowie bei Live-Sessions – wahrscheinlich zieht er es sogar auf Beerdigungen durch.

2. Sie wollen allen gefallen

Die Melodien sind für Arenen geschrieben und die Songtexte so vage und relatable gehalten wie Horoskope. Alle drei, vier Nummern werden Konfetti übers Publikum gepustet und während «Take Me to the Beach» riesige Strandbälle in die Menge geworfen. Coldplay haben diese Elemente salonfähig gemacht und nun gehören sie ins Standard-Repertoire aller Acts, die befürchten, dass sie mit ihrer Musik alleine nicht genug Stimmung erzeugen können.

Dan Reynolds von Imagine Dragons singt im Stadion Letzigrund
Legende: Zum Glück regnet es diese Woche nicht mehr, sonst würden sich die zig Konfetti am Letzigrund-Boden festbeissen wie die Straight-Edge-Xs an den Handrücken des Imagine-Dragons-Sängers. Marco Masiello

Einmal nimmt sich Reynolds Zeit, sämtlichen Menschen in der ersten Reihe einen High-Five zu geben. Und kurz vor Schluss schwenkt er eine Ukraine-Flagge auf der Bühne, wie er vor Jahren bei jeder Show eine LGBTIQ-Flagge schwang. Für letztere Community setzt sich die Band zwar ein, etwas plakativ wirkte es dennoch. All das funktioniert, ja, aber es ist auch uninspiriert – und manchmal sogar anbiedernd.

3. Sie bringen das Radio ins Stadion

Im Live-Repertoire von Imagine Dragons türmen sich die Radio-Hits mittlerweile. Entsprechend schunkelt ihr Publikum durchgehend mit, sich gehen – wie Dan Reynolds es sich eigentlich wünscht – lässt es sich aber selten. Obwohl die Lieder mit ihren Pop-Strukturen und Refrain-Chören voll auf Arena getrimmt sind, nehmen sie diese nur teilweise ein.

Dan Reynolds von Imagine Dragons singt im Stadion Letzigrund
Legende: Nur zehn Minuten nach Konzertbeginn ist das Hemd schon ganz aufgeknöpft. Bis es komplett weg ist, dauert es 50 weitere Minuten und wird von den Fans – natürlich – mit lautstarken Whooo-Rufen kommentiert. Marco Masiello

Dann zum Beispiel, wenn die wabernden Synthies ihrer 2012er-Breakout-Single «Radioactive» im ganzen Körper spürbar sind, der Refrain die Fans aus der Reserve lockt und die Visuals für einmal nicht wie Airbrush-Wände an Chilbi-Attraktionen aussehen.

Und nochmals von vorne

Am Samstag wiederholen Imagine Dragons die Letzi-Übung. Wer die Songs der Band, Dan Reynolds' gestählten Oberkörper und Kitsch mag, kommt auf seine Kosten. Wer aber Überraschungen oder wenigstens kleine Ecken und Kanten erwartet, sollte nochmals im Konzertkalender blättern.

SRF 3, 29.5.2025, 14:40 Uhr

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