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Sounds! Story: Depeche Mode - Das alte Ehepaar
Aus Sounds! Zentrale vom 21.03.2023. Bild: Anton Corbijn
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Auftritt in Bern Depeche Mode: das Aufleben vor dem Tod?

Die erfolgreichste Synthie-Pop-Band der Geschichte tourt um die Welt. Zum ersten Mal ohne Andrew Fletcher und seit langem wieder mit einem guten neuen Album im Gepäck. War ihr energiegeladener Auftritt im Berner Wankdorf Stadion das letzte Schweizer Konzert der Band?

Lange Zeit war Depeche Mode eine Zweierkiste, die zu dritt optimal funktionierte. Während sich die Frontfiguren Dave Gahan und Martin Gore, nebst der kreativen Beflügelung, auch hin und wieder in die Haare gerieten – sorgte Andrew Fletcher für die Balance und den Leim, der die Band zusammenhielt.

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Sounds! Story: Depeche Mode - Das alte Ehepaar
27:32 min Bild: Anton Corbijn
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Vor einem Jahr starb «Fletch» und die zum Duo geschrumpfte Band veröffentlichte mit «Memento Mori» das beste Album der letzten 20 Jahre. Bei ihrem Auftritt vor 36'000 Fans im Berner Wankdorf Stadion machte Depeche Mode, was sie auf Tour immer macht. Sie schmettern mit Druck ihre gewaltigen Hits in die Menge und lassen sich dick feiern. Und doch war diesmal alles ein bisschen anders.

Autor: Gregi Sigrist

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Gregi Sigrist ist Musikjournalist der Fachredaktion Musik Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen. Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

Was bleibt?

Traditionsbewusst spielt Depeche Mode auch auf dieser Tour eine Handvoll neue Songs, Martin Gore darf zwei Nummern singen (aushalten oder Bier holen?) und die Zugaben werden mit Welthits bestückt. Das ist zwar nicht sehr einfallsreich, hat sich aber über Jahrzehnte bewährt. Wer würde denn nach «Just Can’t Get Enough», «Never Let Me Down Again» und «Personal Jesus» griesgrämig das Stadion verlassen? Eben.

Genauso unverändert: Treten Depeche Mode auf, werden zur selben Zeit zwei Konzerte gespielt. Das eine von Dave Gahan. Das andere von Martin Gore. Natürlich spielen sie zur selben Zeit dieselben Songs. Bühnentechnisch näher zusammengerückt sind die beiden Frontfiguren aber auch nach dem Tod von Andrew Fletcher kaum. Ausser bei ihrem wirklich nahen und berührenden Auftritt der ersten Zugabe «Waiting for the Night».

Was fehlt?

«Fletch». Natürlich. Er fehlt. Während «World In My Eyes» erinnert ein Bild des jungen Andrew Fletcher auf dem Screen an das verstorbene Gründungsmitglied. Wenig Respekt zollte die Band dem Verstorbenen hingegen auf musikalischer Ebene. Andrew Fletcher wurde als Musiker auf der Bühne nicht ersetzt. Die Band tritt weiterhin mit ihren zwei langjährigen Live-Musikern Peter Gordeno und Christian Eigner auf. Dabei fällt nur optisch auf, dass eine Person fehlt.

Was interessiert?

Die Schweiz liebt Depeche Mode auch 2023 heiss. Man kam um Helden, Songs und die Geschichte einer Band zu feiern. Das Konzert im Berner Wankdorf war eine Mischung aus Klassentreffen und Rock-Messe. Ausgelassen und voller Freude. Trotzdem: So richtig aufregend, bahnbrechend und wild war gestern. Und Wilder verabschiedete sich bekanntlich bereits Mitte 90er von der Band.

War’s das?

Die «Memento Mori»-Tour wäre der perfekte Moment für Dave Gahan und Martin Gore (beide 61) ihren Fans Goodbye zu sagen. Mit dem aktuellen Album ist ihnen nochmals ein amtliches Werk geglückt und dass sie die Tour auch ohne «Fletch» bestreiten, gibt der Geschichte eine besondere Note. Man könnte das Aufleben, als eine Art Höhepunkt und guten Moment ansehen, um die Band-Karriere sauber abzuschliessen.

Allerdings ist Musik kein Sport. Stilvolle Spätwerke sind immer möglich und eine Karriere wie die von Depeche Mode, lässt sich ohnehin nicht zerstören. Trotzdem kann ich mir sehr gut vorstellen, dass Gahan und Gore diese Tour als das letzte Kapitel der Bandgeschichte aufführen und danach das Buch Depeche Mode schliessen.

Die Schweizer Depeche Mode-Fans würden sich in diesem Fall an einen unvergesslichen Abend in Bern erinnern.

SRF 3, 11.6.2023, 8:20 Uhr

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