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Hits, Schweiss und Tränen Herbert Grönemeyer ist ein Auslaufmodell

Am Schluss waren alle am Ende. Angefangen hat die Geschichte aber drei Stunden und 36 Songs vorher: Das war Herbert Grönemeyer im Zürcher Hallenstadion.

«Manchmal legt der Tau sich auf mich. Und dann werd’ ich leise traurig, weil, ich glaube nicht, dass alles so schön ist, wie es ist.» Mit «Tau» eröffnet der 67-jährige Superstar seinen Auftritt im Hallenstadion am Mittwochabend. Weitere zehn Songs des aktuellen Albums «Das ist los» werden im Laufe des Abends folgen. Für die Fans im ausverkauften Hallenstadion gibt es jedoch zwei wichtigere Gründe, wieso sie heute da sind: die alten Gassenhauer und ihr Herbert.

Das Hit-Gewitter

Ab dem siebten Song geht’s los mit «Bochum», «Männer», «Was soll das», «Vollmond» und fast allem, was das Grönemeyer-Fan-Herz begehrt. Später folgen «Mensch», «Alkohol», «Flugzeuge im Bauch» und schon sehr lange vor den Zugaben wird klar: Ein Konzert, wenn auch ein grosses, ist zu klein für die Karriere des erfolgreichsten deutschen Popstars.

Autor: Gregi Sigrist

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Gregi Sigrist ist Musikjournalist der Fachredaktion Musik Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen. Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

Songs aus den ersten drei Alben «Grönemeyer», «Zwo» und «Total egal» tauchen nicht auf im Set. Dafür das unverwüstliche «Musik nur, wenn sie laut ist» (1983), welches noch aus der Zeit vor dem grossen Durchbruch mit «4630 Bochum» stammt.

Keine Armeen aus Gummibärchen

… aber immerhin ein paar Hände voll davon flogen bei «Kinder an die Macht» auf die Bühne. Natürlich wirft Grönemeyer diese in die Luft, um sie mit dem Mund aufzufangen. Wie er es seit Jahrzehnten tut und es von ihm erwartet wird. Eines von vielen Ritualen an seinen Konzerten. Die Karriere ist lang, die Fans treu. Man kennt sich. Die Abläufe sind eingespielt. Die Rollen sind verteilt. Und trotz der Redundanz kommt das vereinbarte Zeremoniell von Herzen und wirkt immer noch lustvoll.

Mensch Herbert

Zwischen den Songs glänzt Grönemeyer, der Mensch. Mit Kurzpredigten für eine bessere Welt, erntet er genauso viel Beifall und Zustimmung, wie wenn er den Running Gag über sein inexistentes Tanztalent auspackt oder sich über seine undeutliche Aussprache lustig macht. Dass man ihn beim Singen oft nicht versteht, ist jedoch längst zum Stilmittel geworden.

Bei gewissen alten Klassikern (wovon er eine Menge hat) treibt Grönemeyer das Spiel auf die Spitze. Oder hat er tatsächlich ein Stück Text vergessen? Egal. Seine Fans, seine grosse Familie, füllt sowieso jede Textlücke. Ob diese gewollt platziert oder geplant passiert ist, spielt keine Rolle. Zufall, so viel ist sicher, ist bei Herbert Grönemeyer wenig bis nichts. Das gilt auch für seine beeindruckende Karriere.

Bis zum bittersüssen Ende

Wer spielt 2023 noch mehrere Zugabeblöcke? Und wer bestückt dabei den letzten Block mit satten sechs Songs? Herbert Grönemeyer ist ein Auslaufmodell. Als er um 23:00 Uhr als letzte Zugabe das fast 250 Jahre alte «Der Mond ist aufgegangen» aufführt, befindet sich ein Teil des Publikums längst auf dem Heimweg. Dies, obwohl Grönemeyer gespielt hat, als gäbe es kein Morgen.

SRF 3, 1.6.2023, 8:20 Uhr

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