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Musik Marsians, Fännies, Katycats: So macht Fan-Sein keinen Spass mehr

Ihr seid keine Little Monsters? Keine Beliebers? Dann könnt ihr immer noch Ezranites oder Fansingtons werden - die kindischen Fan-Community-Namen gibts jetzt nämlich auch für Indiefans. Für die Stars lohnt sich das - auch wenn sie damit an den erwachsenen Musikfans vorbeikommunizieren.

Zu einer Gruppe gehören, die einen Namen hat, aufgenommen werden, sich identifizieren können - das alles ist wunderbar. Für Teenies. Einige Jahre später ist es eher irritierend, wenn man auf Facebook plötzlich als «Ezranite» angesprochen wird, weil man George Ezras Songs mag.

Dass Lady Gaga ihre Fans liebevoll (und geschäftstüchtig) ihre «Little Monsters» nennt, Katy Perry ihre Anhänger als «Katycats» bezeichnet, Justin Bieber seine Jüngerinnen «Beliebers» getauft hat und Luca Hänni seine Groupies zu «Fännies» macht - in Ordnung. Hier geht es auch um fanatische, musikalisch oft nahezu monogame und zudem - eben - meist sehr junge Subjekte.

Wer viele Bands mag, kriegt die Krise

Aber dass jetzt auch Indiebands und -musiker und gestandene Rockbands mit diesem Kinderzeug anfangen, wirkt seltsam aufgesetzt. Wer eine breitgefächerte Musiksammlung auf dem Datenträger seiner Wahl mit sich führt, wird da zur multiplen Persönlichkeit und ist im zügigen Rhythmus des Shufflemodus mal ein Fansington (Fans der holländischen Indieband Kensington), mal ein Idiot (Fans von Greenday) oder ein Victim (Fans der Killers, was für ein origineller Scherz) und schliesslich (sofern man Slipknot mag) ein Maggot, zu Deutsch eine Made. Wers poetischer möchte, muss das Genre wechseln und bei Andrea Berg zum Traumpirat werden.

Leider lohnt sich dieses alberne Theater für Musiker: Was The Grateful Dead in den Siebzigern nichtsahnend vormachten, indem sie ihre ergebensten Fans Deadheads nannten, zahlt sich im Social-Media-Zeitalter erst richtig aus. Am Beispiel von Lady Gaga und deren Little Monsters ist diese Marketingstrategie sogar schon in einer Studie untersucht worden.

Wir normalen Fans sind «nur» die Mehrheit

Das Fazit der Studie: Lady Gaga investiert bewusst den Grossteil ihrer Fanarbeit in eine Minderheit ihres Publikums. Jener fanatische Teil ihrer Fans, die soweit gehen, sich als Little Monster bezeichnen zu lassen und sich auch auf Facebook auf der entsprechenden (separaten) Fanseite dazu zu bekennen, machen nicht einmal ein Prozent von Gagas Anhängern aus. Dafür sind sie die Aktivsten und Bestvernetzten: Sie sind oft grad auf mehreren verschiedenen Little Monsters-Seiten und -Foren dabei und verfassen dort auch eigene Posts, generieren eigene Inhalte. Dass sie erst recht alles, was Lady Gaga macht, sofort teilen und verbreiten, versteht sich von selbst. Sie sind also selber Teil von Lady Gagas PR-Maschinerie und leisten viel Gratisarbeit.

Die meisten Stars (und v.a. deren PR-Abteilungen) haben diesen Community-Faktor und die Werberelevanz der fanatischen Minderheit längst begriffen und betreuen demensprechend oft neben ihrer eigenen Facebook-Page auch die separate Community-Page. Lady Gagas Little Monsters sind auf Facebook gerade mal rund 50'000, dennoch werden sie gleich intensiv mit Inhalten versorgt wie die rund 61 Millionen Fans auf Gagas eigentlicher Facebook-Page. Ab und an erhalten sie sogar eine Videobotschaft von ihrem «Mother Monster», wo Gaga es nie versäumt, den lukrativen Hinweis «i love you, my Little Monsters» zu integrieren. So wird der Star zum Fan seiner Fans - und die Fans damit selbst zu Stars. Und richtige Stars haben schliesslich einen Namen.

Wie, ihr wollt aber keine «Stars» sein, ihr wollt keinen eigens kreierten Fannamen und nicht Teil einer gleichgesinnten Gruppe sein? Ihr seid über 19, wollt einfach nur Musik hören und in Ruhe gelassen werden? Ist den PR-Abteilungen der Stars egal. Ihr seid schliesslich nur die Mehrheit.

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