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Musik-Blog Der rosarote Ramones-Schock

Band-Shirts aus modischen Gründen im Kleiderladen kaufen ist kein neues Phänomen. Die Sichtung eines rosaroten Ramones-Shirts in der Babyabteilung von H&M überraschte mich daher kein bisschen. Dass da etwas in mir war, das dieses Shirt der Punkband haben wollte, allerdings schon.

Eigentlich schaute ich mich, meine zehnmonatige Tochter umgeschnallt, nach einem neuen Pyjama für sie um, als mir das bekannte Emblem der Ramones auffällt. Aufgedruckt auf einem rosaroten Shirt. Grösse: 9-12 Monate. Verdammt, dachte ich. Wer soll das kaufen? Irgendwie konnte ich mir in diesem Moment die Eltern nicht vorstellen, die ihrem Kind dieses Shirt kaufen und anziehen wollen. Rosarot. Die Ramones. Für Babies. Im H&M. Ich wollte sie kennen lernen – diese Eltern – und sie dann nach ihrem liebsten Ramones-Song fragen. Ich wollte wissen, ob ich es mit Musikfans oder Fashion Victims zu tun kriege bei meinem etwas freakigen Unterfangen.

Hey! Ho! Let's go!

Unaufgeregt summte ich ein paar aneinandergereihte Strophen von «Blitzkrieg Bop» vor mich hin und platzierte drei dieser Shirts so prominent wie möglich in der T-Shirt-Ecke. Zu meinem Entsetzen musste ich dabei feststellen, dass ich mir das Waschetikett genauer anschaute. Ein Vorgang, den man nun definitiv nur bei Kleidern vornimmt, die man zu kaufen gedenkt. STOP! Ich kann doch meiner Tochter kein Ramones-Shirt kaufen. Rosarot. Die Ramones. Für Babies. Im H&M. Oder doch?

Was würden die Ramones sagen?

Autor: Gregi Sigrist

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Gregi Sigrist ist Musikjournalist der Fachredaktion Musik Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen. Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

Ich checke mein Adressbuch im Handy. Da ist noch immer die Nummer von Tommy Ramone gespeichert. Vor ein paar Jahren hatte ich die Möglichkeit, mit dem damals letzten noch lebenden Ramone per Telefon zu sprechen. Die Nummer habe ich behalten, weil es das einzige Telefon-Interview war, bei welchem ich nicht durchgestellt wurde. Als ich anrief, ging ein gewisser Herr Erdély ran und bestätigte mir, dass ich ihn direkt auf seiner Privat-Nummer in seiner New Yorker Wohnung erreichte. Das ist mir geblieben. Leider verstarb Tommy Ramone vor bald zwei Jahren und somit kann er mir dabei nicht weiterhelfen. Wäre ich im H&M auf ein Shirt der Stooges gestossen, dann wüsste ich, dass Iggy Pop wohl kaum etwas dagegen einzuwenden hätte. Schliesslich tritt der Urvater des Punk gar als Werbeträger des Textilunternehmens in Erscheinung. Auch dazu könnte man natürlich ein paar Zeilen schreiben.

«Hamm Hamm» kommt vor H&M

Ohne dass ich eine Käuferin oder einen Käufer des Ramones-Shirts getroffen habe, nimmt mein eigensinniges Projekt ein jähes Ende. Mein Töchterchen wird unruhig. Ein Blick auf die Uhr verrät mir: Es ist viertel vor «Zvieri». Das reicht gerade noch für den Rückweg. Es gibt 3Korn-Brei und Banane. Auf dem Nachhauseweg überlege ich mir, ob ich wohl ein Velvet Underground-Shirt mit Warhols Banane als Aufdruck gekauft hätte...

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