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Musik-Blog Erklär mir Travis Scott

Wenn der US-Rapper Travis Scott die Bühne betritt, drehen alle durch. Alle? Nein. Ein offensichtlich alternder Musikredaktor (43) fühlt es nicht. Das bin ich. So habe ich mir den Albtraum vorgestellt, wenn einem die Popkultur zu verstehen gibt, dass man zuhause bleiben und Heimatfilme schauen soll.

Autor: Gregi Sigrist

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Gregi Sigrist ist Musikjournalist der Fachredaktion Musik Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen. Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

Aus den Boxen dröhnen flächige, tiefe Bässe. Blitzgewitter. Strobo. Travis Scott mit Autotune auf der Stimme. Durchgehend. Im Hintergrund Visuals mit Feuerwerk. Dann Animationen von Zugvögeln, die Richtung Mond fliegen. Blauer Himmel. Lion King-Style.

Direkt vor mir am Travis Scott-Konzert steht Virus Bounce-Moderator Mauro Wolf. Er fühlt es ganz offensichtlich. Ich weiss nicht einmal, was es zu fühlen gäbe, bei einem solchen Auftritt.

Nach drei Songs, die ich nicht voneinander unterscheiden kann, bewege ich mich ein paar Reihen zurück. Beobachterstandort. Doch auch aus dieser Position komme ich dem Phänomen Travis Scott nicht auf die Spur.

Was hat dieser Travis Scott? Ich frage nach bei Mauro Wolf:

Um was geht es bei einer Travis Scott-Show?

Es geht darum, vollkommen abzuschalten und in einen realitätsfernen surrealen Film zu kommen. Seine Musik, seine verwirrend wirkende Bühnenpräsenz und seine abgefahrenen Visuals liefern das perfekte Ambiente dazu.

Steht die Stimmung, die er vermittelt, über der musikalischen Darbietung?

Genau. Bei dieser Art von Hip-Hop Musik geht es ausschliesslich um die Stimmung. Der Inhalt spielt überhaupt keine Rolle mehr.

Reden wir von einem Konzert oder von einer Messe, wenn Travis Scott auftritt?

Dies könnte man sogar so betiteln. Es ist eine Zeremonie, in der Travis' Jünger komplett die Orientierung verlieren und sich ihm hingeben. Sie schauen zu ihm auf und lassen sich von ihm, seiner Musik, der Stimmung und seinen Visuals leiten.

Mauro Wolf

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Mauro Wolf ist Sendemacher und Moderator bei der Hip Hop-Sendung Bounce auf SRF Virus.

Jetzt mal ernsthaft: Autotuneverstrahlung mit flächigen, tiefen Bässen nach vorne und im Hintergrund Visuals, die uns zum Teil an Szenen aus Lion King erinnern könnten. Was flasht daran?

Alles verschmilzt miteinander. Es entsteht eine surreale Szene, die einem in Ekstase bringen kann. Die tiefen Bässe fahren in den Magen, das Autotune hallt in den Ohren und die Visuals unterstreichen das LSD-artige Ambiente.

Wer ist Travis Scott bzw. was hat er für einen Einfluss auf die Entwicklung von Rap-Musik?

Travis Scott ist ein Genie. Bekanntlich sind Genie und Wahnsinn nahe beieinander. Dies drückt sich bei Travis Scott folgendermassen aus: Man weiss nie, was er als nächstes tut. Die Show könnte noch zwei Stunden weitergehen, aber auch im nächsten Moment enden. Er produziert Musik für Kanye West und für diverse andere grosse Namen. Scott ist prägend für die momentane Szene. Er entwickelt Hip-Hop weiter.

Ist er eigentlich cool oder einfach nur crazy – und crazy ist eben cool?

Travis Scott ist sehr cool. Er prägt die momentane Hip-Hop-Szene in Amerika wie fast kein zweiter. Hip-Hop ist mittlerweile sehr breit geworden, und er wurde zum Leader für eine gewisse Richtung.

Jetzt mal ernsthaft. Nervt dieses Autotune-Ding nicht irgendwann?

Doch sicher. Aber in gewissen Lebenssituationen passt die Stimmung die Travis' Sound erzeugen kann perfekt. Aber klar, zu viel kann das nicht auf die Ohren gehen, bei jemanden, der oder die mit BumBumTschakk-Hip-Hop gross geworden ist. Wichtig zu wissen: Travis Scott hat seinen eigenen Stil entwickelt und diesen perfektioniert. Was er geschaffen hat, ist nicht mehr wegzudenken.

Wenn ich das Phänomen Travis Scott nicht checke – was soll ich mir reinziehen, um es vielleicht später zu verstehen?

Falscher Ansatz. Man muss sich gehen lassen. Man muss versuchen die Stimmung zu spüren. Wer es schafft, Erwartungen und Vorkenntnisse auszuschalten und sich komplett auf etwas Neues einzulassen, hat gute Chancen dem Phänomen Travis Scott auf die Schliche zu kommen.

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